Familienexpertin Nora Imlau – Was brauchen Kinder wirklich von uns (und was nicht)?

Shownotes

Nora ist Autorin, Fachjournalistin für Erziehungsthemen, eine der prominentesten Vertreterinnen für bindungsorientierte Elternschaft. Ich wollte von ihr wissen, was bindungsorientierte Erziehung bedeutet?
Wir sprechen darüber, welche Rolle Eltern dabei haben, wie man dem Perfektionsdruck nachgibt und sanft zu sich selbst bleibt. Es geht den Unterschied zwischen Bedürfnissen und Wünschen, um zugewandtes Durchsetzen und darum, wie man den Gefühlen und Bedürfnissen aller Familienmitglieder Raum gibt.

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Transkript anzeigen

00:00:00: Es gäbe ja für ein Kind wirklich nichts Schreckliches, als total perfekte Eltern zu haben.

00:00:06: Wie schrecklich wäre das, wenn man als Kind das Gefühl hat, wir sind hier so eine Familie und die einzige Person, die jemals Fehler macht, bin ich.

00:00:13: Weil meine Eltern, die sind Gott gleich, ganz viel Entwicklungsmotivation für Kinder, erwächst ja auch darin, Eltern beim Fehlern machen und Scheitern zuzugucken und zu sagen, A, die sind auch nicht perfekt und B, hier und da könnte ich Dinge auch besser machen als

00:00:26: die.

00:00:27: Willkommen, Mutter Matze.

00:00:29: Ich bin Matze Hisch und treffe mich hier mit Menschen, die mich interessieren und versuche herauszufinden, wie die so ticken.

00:00:34: Und heutiger Gast ist Nora Imlau.

00:00:37: Nora Imlau ist Expertin für Erziehungsthemen.

00:00:39: Sie hat wahnsinnig viel dazu geschrieben.

00:00:42: Und sie gilt als eine der führenden Vertreterin für bindungsorientierte Elternschaft.

00:00:47: Bindungsorientiertes Begleiten bedeutet nie nur schützen, sondern immer auch ein bisschen schupsen.

00:00:52: Auch mal sagen, trau dich, wenn wir mit unseren Kindern in so einer ... authentischen, lebendigen Beziehungen bleiben, wo wir auch erkennen, braucht manchen jetzt gerade ein bisschen mehr Schutzraum oder braucht jetzt jetzt gerade so einen sanften Schubst, dann müssen wir vor dem Verwöhnen überhaupt keine Angst haben.

00:01:08: Wir neigen oft dazu, weil wir ja dieses Verbechenleben auf Augenhöhe leben wollen, diese Bedürfnisorientierung genau in dem Sinne falsch zu verstehen.

00:01:15: Wir stellen den Kindern eine Million Fragen und wollen die ganz viele Alltagsentscheidungen treffen lassen, damit die sich bloß nicht übergangen fühlen.

00:01:22: Und wozu das oft führt, bei Kindern ist die sogenannte Entscheidungsparalyse.

00:01:26: Weil es so anstrengend ist, permanent jeden Mist gefragt zu werden.

00:01:32: Ich bin natürlich auch überhaupt nicht frei von diesen Schuldgefühlen, von diesem Abends im Bett liegen, noch mal Situationen durchspielen und denken, Mensch, da hätte ich mich anders verhalten sollen.

00:01:41: Ich wünschte, ich könnte in der Zeit zurückreisen und diesen Satz zurücknehmen, dieses Wort.

00:01:44: Ich glaube, es ist wichtig, diese Scham und Schuldgefühle ein Stück weit auch wertzuschätzen und so lange es ist gut, dass wir die haben, weil die in gewisser Weise auch ein Zeichen für unseren moralischen Kompass sind.

00:01:55: Also dieses alles irgendwie richtig zu machen, woher kommt dieser Druck?

00:02:03: Ich habe wahnsinnig viel für mich und für meine Familie mitgenommen.

00:02:06: Und ich hoffe, ihr werdet das auch.

00:02:07: Ich wünsche euch viel Vergnügen.

00:02:09: Emotem Marze mit Nora Dimblau.

00:02:14: Warum ist dieses Thema so ein großes Thema für dich?

00:02:18: Also, warum ist das Familien?

00:02:20: Also, eigentlich ist es ja Familie.

00:02:21: Das ist dein Ding.

00:02:23: Warum?

00:02:25: Warum ist das so groß?

00:02:26: Das ist eine spannende Frage, ne?

00:02:31: Ich habe da auch wirklich auch nur Erklärungsansätze.

00:02:33: Also ich habe das Gefühl, dass ich schon als Kind eine unglaubliche Neugierde hatte für zwischenmenschliche Beziehungen, für die Frage, wie Menschen miteinander umgehen und warum.

00:02:43: Ich fand das irgendwie spannend.

00:02:44: Weißt du, so wie manche Kinder einen Spezialinteresse haben für Dinosaurier oder Ritter oder so, fand ich immer schon.

00:02:52: Zwischenmenschliche Beziehungen, super spannend.

00:02:54: Und ich war echt auch schnelles Kind und beobachter Kind.

00:02:57: Ich hab so, wenn Erwachsene miteinander geredet haben und so versucht, so ein bisschen so Muster zu erkennen und zu denken, ah, das wirkt für mich nach einer Beziehung, wo die irgendwie auf Augenhöhe sind.

00:03:07: Und das wirkt nach einer Beziehung, da scheint irgendwas unter der Oberfläche zu sein, das finde ich spannend und so.

00:03:12: Und ich hab irgendwie sehr viel immer schon darüber nachgedacht.

00:03:16: wie die Art und Weise, wie wir aufgewachsen sind, vielleicht prägt, wie wir später auch im Leben dastehen oder so.

00:03:22: Ich bin ja mit meinen Eltern in einem reformpädagogischen Internat groß geworden.

00:03:27: Also meine Eltern haben dort als Leckreff- und Hauslehrer sozusagen gearbeitet und ich habe damit gewohnt.

00:03:32: Und das war ja eine Jugendhilfe-Einrichtung.

00:03:34: Da kamen also auch viele Kinder und Jugendliche hin, wo irgendwas nicht optimal gelaufen war in deren ... Familiengeschichte.

00:03:41: Da kamen auch Kinder hin, wo Eltern einen Kontaktverbot hatten, wo die einen Annäherungsverbot an ihre Kinder hatten.

00:03:48: Und das hat mir natürlich noch mal so vor Augen geführt, dass es auch nicht selbstverständlich ist, dass Eltern-Kind-Beziehungen gelingen oder immer was Positives sind.

00:03:59: Und das hat mich beschäftigt als Kind.

00:04:01: Und ich hab mich gefragt, was passiert da, ne?

00:04:03: Also der Anfangspunkt ist ja einfach das allen Familiengleich, das ist nicht Eltern und ein Baby und ... Man startet vermutlich mit guten Intentionen und dann kann da rauskommen.

00:04:13: Fünfzehn Jahre später dürfen die Eltern dem Kind sich nicht mehr nähern.

00:04:17: Und es kann aber auch rauskommen.

00:04:18: Es ist eine ganz bestärkende Beziehung und später unterstützen die Großeltern, die Familie mit den Enkelkindern und so.

00:04:25: Und was passiert da auf diesem Weg?

00:04:29: Das fand ich immer... unglaublich interessant und faszinierend.

00:04:33: Und das ist für mich dann so ein Lebensthema geworden.

00:04:37: Voll schön, dass das schon so früh sich gezeigt hat eigentlich.

00:04:40: Und haben das deine Eltern bemerkt, dass die gemerkt haben, die Nora sitzt immer da und guckt immer so?

00:04:46: Ich weiß gar nicht, was die das von Anfang an so wahrgenommen haben.

00:04:50: Also wenn ein Kind einfach gerne wo dabei setzt und zuhört, weiß man ja manchmal auch nicht, was das dann für sich daraus zieht oder verarbeitet.

00:04:58: Aber es ist schon so, meine Eltern sind wirklich auch so Vollblutpädagogen, die interessieren sich selbst sehr stark auch für diese Themen zwischmärschlicher Beziehungen.

00:05:07: Und ich glaube, sie haben das einfach früh wertgeschätzt, dass das auch was war, worüber wir uns dann auch gemeinsam gut unterhalten konnten.

00:05:13: Also ich hatte einfach auch recht viel Interesse an ihrer Arbeit.

00:05:17: Hab dann manchmal auch gefragt im Sinne von, jetzt hat doch dieses Kind da Mist gemacht, warum wird das nicht bestraft?

00:05:24: Und dann, wenn meine Mutter dann mein Vater erklärt haben, Ja, die meisten Menschen, die irgendwie Mist machen, machen das auch aus einem eigenen Leidensdruck heraus.

00:05:33: Das ist nicht so, dass es dann ein schlechter Mensch ist.

00:05:37: Und durchstrafen wird auch keiner zu einem besseren Menschen.

00:05:40: Sondern da muss man an die Ursache gehen, an die Wurzel gucken.

00:05:42: Was steckt dahinter, welcher Leidensdruck und so.

00:05:45: Ich dachte, oh, das ist ja spannend.

00:05:48: Und das war dann auch so ein ... gemeinsames Bindeglied.

00:05:52: und ich erinnere mich, dass ich dann auch später, also ich habe ja nicht pädagogisch studiert, sondern Literatur und Medien habe mich dann eher so von so einer anderen Seite diesem Thema genähert, aber als ich dann mal für die Uni einen Offsets geschrieben habe, wo es auch ein bisschen so am Rande um pädagogische Themen ging, habe ich meine Eltern angerufen und habe ihnen sozusagen meine Thesen erzählt und habe das sozusagen mit ihnen dann durchdiskutiert.

00:06:15: und das war dann auch so ein verbindendes... Elemente so ein bisschen zwischen den Generationen.

00:06:21: Und gleichzeitig ist es so, dass ich mich dann auch in meiner Arbeit dann natürlich nach und nach auch noch mal weiterentwickelt und emanzipiert habe.

00:06:29: Meine Eltern haben sozusagen ihre pädagogischen Lehren und ihre pädagogische Praxis.

00:06:34: Und ich habe mittlerweile natürlich auch ganz viel mir angeeignet, gerade jetzt auch so in diesem familiären Kosmos, was auf ganz eigenen Füßen steht.

00:06:44: Aber ich glaube schon, dass diese Bewunderung auch für die pädagogische Arbeit, die mein Eltern da geleistet haben, als ich noch wirklich klein war, so ein Anfangspunkt war.

00:06:54: Wie würdest du sagen, unterscheiden sich die beiden Ansätze?

00:06:58: Also was ist der Unterschied zwischen deiner Erziehung von deinen Eltern und dem, wie du jetzt aktueller stand und noch vier Kinder, demnächst fünf?

00:07:11: Was sind so grundsätzlich, Samu, du merkst, das ist anders und gar nicht im Sinne von, das war Scheiße, sondern einfach ist es einfach anders.

00:07:19: Es ist einfach eine Evolution.

00:07:22: Meine Eltern sind beide in den fünftiger Jahren geboren.

00:07:25: Das heißt wirklich, Nachkriegskinder.

00:07:27: Und da war sehr viel in der Erziehung noch sehr autoritär einfach auch.

00:07:34: Ja, wirklich auch noch geprägt davon, dass die Eltern in der NS-Zeit sozialisiert wurden.

00:07:39: Und meine Eltern haben sich da sehr, sehr stark von abgegrenzt und gesagt, wir wollen das mit unseren Kindern anders machen und haben auch, als ich ein Baby war, schon gesagt, also wir lassen das Kind nicht schreien und wir machen hier keine Johanna-Hara-Pädagogik so.

00:07:51: Und gleichzeitig waren sie natürlich auch, sage ich mal, Kinder ihrer Zeit und hatten sozusagen den Wunsch liebevoll und sanft mit uns Kindern umzugehen und wollten, dass wir bestimmte Hüftlichkeitsnormen erfüllen und bestimmte Dinge einfach machen und dass bestimmte Dinge funktionieren.

00:08:10: Und es gab einfach auch Punkte, wo es ihnen vielleicht schwerer gefallen ist, entspannter zu sein als mir jetzt, weil sie einfach nochmal eine andere Wegstrecke zurückgelegt hatten, sozusagen aus ihrer eigenen Kindheit.

00:08:23: Und in gewisser Weise ist es so, dass ich, glaube ich, als Mutter ... Jetzt manchmal diese Idee, dass Eltern-Kind-Beziehungen auf Augenhöhe funktionieren sollen, dass da wirklich kein Machtgefälle möglich sein soll, dass man so nutzt.

00:08:43: Vielleicht noch mal ein Level weiterführe an mancher Stelle, weil ich natürlich auch an einem anderen Punkt in meiner eigenen Biografie losgelaufen bin.

00:08:54: Und das dann ... so ein paar Themen in unserer Familie noch mal anders einfach verhandelt werden.

00:09:01: Aber das ist jetzt keine Sache, wo ich sagen würde, da findet eine total scharfe Abgrenzung statt.

00:09:06: Und es ist einfach, wir erziehen unsere Kinder in einer anderen Zeit.

00:09:09: Es sind auch einfach andere Kinder, andere Herausforderungen.

00:09:13: Und ich habe halt sozusagen weitergemacht mit der Glaubenssatzarbeit, die meine Eltern aber, glaube ich, schon angefangen

00:09:21: hatten.

00:09:22: Wir werden heute viel über Familie sprechen sowieso.

00:09:25: Also sind wir schon mittendrin.

00:09:27: Was bedeutet Familie für dich?

00:09:31: Familie ist für mich ein Ort, wo Eltern ein Elterntal oder mehrere Vereinkind oder mehrere da sind.

00:09:40: Für mich ist Familie nicht primären biologisches Konstrukt, sondern ein soziales Verhältnis, wo es um Fürsorgeverantwortung geht, wo eine Erwachsene Person für Sorge übernimmt, für ein Kind oder mehrere oder mehrere Erwachsene Verantwortung übernimmt, für ein Kind oder mehrere.

00:09:55: Und wo letztlich die Bindung zueinander im Mittelpunkt steht.

00:09:58: Die Art und Weise, wie man miteinander umgeht, sich verbunden fühlt, Beziehungen lebt und wie das dann das Leben eines jungen Menschen prägt und formt.

00:10:08: Welche Rolle hast du in deiner Familie?

00:10:15: Ich glaube schon, dass ich ... gemeinsam mit meinem Mann in unserer Familie so eine Leitwölfe in den Rollen haben.

00:10:24: Also, dass wir als Eltern für unsere Kinder schon wichtige Führungs- und Fürsorgepersonen sind, dass wir die Leitplanken aufstellen.

00:10:35: Da geht es lang und da sind die Grenzen, dass wir Wärme und Schutz geben.

00:10:40: Und wir sind ja auch sozusagen diese ... Diese Zwischengeneration, also die Großeltern sind auf der einen Seite, die Kinder sind auf der anderen Seite und wir sind schon auch diejenigen, die so die ganze Familie, also auch die Großfamilie so ein bisschen zusammenhalten und zusammenbringen.

00:10:55: Also immer wieder auch schauen, dass sozusagen die verschiedenen Generationen auch miteinander in Verbindung und Kontakt.

00:11:04: sind und bleiben.

00:11:05: Das

00:11:05: siehst du als deine Rolle auch zu gucken, dass man eben nicht nur in seiner eigenen

00:11:09: kleinen

00:11:10: Kernfamilie ist, sondern da gehören im Grunde dann alle dazu.

00:11:14: Ja, also natürlich sind die Verantwortlichkeiten unterschiedlich verteilt und meine erste und primäre Verantwortung gilt natürlich meinen Kindern, aber für mich ist Familie zu leben nicht so was ganz... Kleines, sondern für mich geht es da schon auch darum, dass es mir wichtig ist, dass unsere Kinder wissen, wer ihre Onkel und Tanten sind und Kontakt mit ihnen, Cousins und Cousinen haben oder mit ihren Großeltern pflegen können.

00:11:38: Und dass wir sozusagen den Raum und den Rahmen dafür halten, dass sich Familienmitglieder begegnen können.

00:11:45: Du hast erst erzählt, dass du ja eigentlich, du hast Anglistik und Germanistik studiert in Marburg.

00:11:51: Und Medien.

00:11:52: Und Medien in Marburg.

00:11:56: Ich nehme mal an, du wolltest wahrscheinlich Journalistin werden.

00:11:59: Und dann, was war so?

00:12:00: das Erste?

00:12:02: Gab's so ein Erweckungsmoment, wo du gesagt hast, okay, ich gehe voll in diese Richtung.

00:12:05: Also das war ja sowieso angelegt, was wir schon gehört haben.

00:12:08: Aber wurden noch mal klar, okay, das wird mein Feld werden.

00:12:12: Das

00:12:13: wird mein Thema, ne?

00:12:16: Ja, also ich hab tatsächlich immer schon eine große Leidenschaft fürs Schreiben und Lesen gehabt und hab ganz klassisch, dann so mit achtzehn gedacht, ich mach mal irgendwas mit Medien.

00:12:25: Das ist ja so dieses, man geht ja manchmal so los und weiß noch nicht genau, in welche Richtung, aber ich hatte mir tatsächlich vorgestellt, journalistisch zu arbeiten und hab das in meinem Studium auch sehr genossen, diese Band breitet dann gerade im medienwissenschaftlichen Studium.

00:12:39: zu sagen, man lernt was über Film, man lernt was über Radio, man lernt was über journalistisches Arbeiten bei einer Zeitschrung oder so.

00:12:47: Und hab wirklich relativ lange gedacht, meine berufliche Heimat könnte auch im Kulturjournalismus liegen.

00:12:53: Ich hätte mir mich selbst als Filmkritikerin vorstellen können oder sowas.

00:12:57: Und dann hab ich so gemerkt, das ist schon alles interessant für mich, aber ... Es gibt unzählige Leute, die das ähnlich interessant finden und ähnlich gut können, also über ein Film schreiben.

00:13:11: Und wenn ich ganz tief in mich reinschaue und ehrlich zu mir bin, brenne ich für das Kino nicht so sehr, wie ich eigentlich für diese Familienthemen brenne und schon immer gebrannt habe.

00:13:23: Und ich habe gemerkt, ich hatte damals selbst noch kein Kind, aber ich habe schon relativ früh gewusst, ich würde auch gerne ... was ich ja nachher auch geworden bin.

00:13:34: Und ich hab aber schon so mit zwanzig gedacht, das wird in meinem Leben eine wichtige Rolle spielen, Kinder haben, Familie.

00:13:41: Und hab selbst mich dabei ertappt, immer mal so zwischen Hausarbeiten, die ich geschrieben hab, auf irgendwelchen Eltern- und Familienseiten im Internet rumzusurfen und da Artikel dazu zu lesen, um mich schon mal ein bisschen einzudenken.

00:13:53: Und hab gemerkt, eigentlich ist das das Thema, wo es mich hinzieht.

00:13:57: Und dann hatte ich so ein bisschen so einen inneren ... Auch weil wir ja schon, auch das muss man ja ehrlich sagen, gesellschaftlich, ich sag mal, Familienjournalismus und schreiben über Kinder und Eltern oft einen geringeren... was zu kulturellen Wert zu schreiben als Kulturjournalismus.

00:14:14: Also das erlebe ich auch immer noch manchmal, wenn man auf irgendeinem Befangen ist.

00:14:18: Und da sind verschiedene Leute, die schreiben, und Menschen kommen auf einen zu und sagen, worüber schreiben sie so.

00:14:23: Und man sagt, Familienthemen, dann haben viele Leute erst mit sich das, oh, okay, Windeln und Babybrei.

00:14:28: Also so als wäre das ein bisschen Langweiliges und bisschen ... wenig anspruchsvolles Service-Journalismus-Thema im Vergleich zur hohen Kultur.

00:14:40: Wenn man sagt, ich bin Filmkritikerin oder ich rezinsiere Literatur, dann hat das gleich so einen anderen Vibe.

00:14:45: oder ich bin Politikjournalistin.

00:14:46: Und da habe ich wirklich so ein bisschen damit gekämpft, zu sagen, möchte ich quasi in einen Bereich gehen, der vielleicht auf den ersten Blick so ein bisschen weniger intellektuell oder weniger angesehen wirkt.

00:14:58: Und habe dann aber gedacht, eigentlich ist das Quatsch.

00:15:01: Weil Familie eben so viel mehr ist als Wendeln und Babybrei, weil es da eigentlich um die ganz großen Fragen des Zusammenlebens geht.

00:15:07: Und Familie hat viel mit Politik und Gesellschaft

00:15:11: zu tun und mit der

00:15:13: Zukunft und wie wir miteinander umgehen wollen und wie wir zusammenleben wollen.

00:15:16: Und als ich das dann so für mich klar hatte, habe ich mich dann um mein erstes, sag ich mal größeres journalistisches Praktikum beworben bei der Zeitschrift Eltern damals.

00:15:27: Die damals echt so das Flaggschiff.

00:15:30: das für mich ein Journalismus war.

00:15:32: Und das war der Anfangspunkt.

00:15:34: Ich bin da in der Redaktion gesessen, ich hab damit gearbeitet und ich hab richtig so gespürt.

00:15:38: Weißt du, als würde sowas einrasten.

00:15:40: Wirklich so dieses Klick.

00:15:41: Hier gehörchen, hier bin ich richtig.

00:15:43: Hier kann ich mich den ganzen Tag mit dem beschäftigen, womit ich mich am allerliebsten beschäftigen will.

00:15:49: Und was mich am meisten interessiert und fasziniert.

00:15:51: Und mir wurde damals teilweise von Kommilitoninnen und Kommilitonen gesagt, dass sie Sorge haben, dass ich vielleicht irgendwann das begräuen könnte.

00:16:00: weil einem doch diese Familienthemen langweilig werden müssen.

00:16:03: Also man macht so was vielleicht zwei, drei Jahre und dann hat man doch alles gesagt und alles geschrieben.

00:16:07: Und das ist jetzt zwanzig Jahre her und ich finde es immer noch ein super spannendes Thema und mir ist noch nie der Gedanke gekommen.

00:16:16: Ich wünschte, ich wäre jetzt doch Filmkritiker geworden oder so, sondern ich finde immer noch, dass das ... dass es so viele nicht explorierte Themen in diesem Familienbereich gibt, über die ich auch gerne noch mehr wüsste und wo ich gerne noch mehr schreiben würde.

00:16:30: Da ist keine Langeweile aufgekommen.

00:16:32: Voll geil.

00:16:35: Ich bewundere das immer, wenn Leute... Ich hatte auch dieses Glück, dass ich mich nie fragen musste, was wird mal aus mir.

00:16:41: Aber ich freue mich auch immer, weil ich weiß, wie anstrengend es ist, wenn man nicht weiß, wohin.

00:16:47: Also wenn man so ziellos seine Zwanziger verbringt und nochmal ein Praktikum und nochmal das und dann irgendwie... Also, mir geht's genauso wie dir.

00:16:57: Und deswegen freu mich da immer so, ach ja, du musst dich auch nie richtig orientieren oder was nie auf der Suche in dem Sinne.

00:17:04: Wenn du erzählst, dass du vor zwanzig Jahren da angefangen hast, darüber zu schreiben, nach meinem Empfinden hat sich das Thema Erziehung total verändert.

00:17:14: Also, unser Sohn ist jetzt dreizehn und dann gab's dann irgendwann die die Begrifflichkeit Helikoptereltern und sowieso Prenzlauerberg als also der Unhort der Verweichlichung, was der Erziehung betrifft.

00:17:32: Wie war das damals?

00:17:33: Also ich habe dich ja schon gefragt, was unterscheidet sich oder unterschiedt die Erziehung deiner Eltern zu euren Kindern jetzt?

00:17:39: Wie waren die Themen damals?

00:17:40: Wie wurde damals über Erziehung geschrieben?

00:17:45: Ich hatte das Gefühl, auch der Unterschied, auch Erziehung und Beziehung, das ist ein großer Unterschied, hab ich auch von Katja Seifrang gelernt.

00:17:50: Ja,

00:17:50: ja, genau.

00:17:52: Ja, also ich hab im Nachhinein wirklich das große Glück gehabt, dass wohl mein Mutter werden, als auch mein Familienjournalistin werden, in so eine ganz spannende Umbruchzeit fiel.

00:18:03: Also gerade so Anfang der zweitausender Jahre fand wirklich so dieser Paradigmenwechsel allmählich statt.

00:18:10: weg von einer Erziehung, die man zwar schon als nicht mehr so autoritär beschreiben könnte, wie jetzt die fünftiger Jahre Erziehung, aber wo doch das Grundprinzip oft noch war zu sagen, wie kriege ich mein Kind dazu zu machen, was ich will.

00:18:25: Und dann gab es so diesen Paradigmenwechsel sozusagen.

00:18:29: Kinder sind vollwertige Menschen und die müssen wir ganz anders betrachten, ganz anders begleiten.

00:18:34: Ein großer Vorreiter war Jesper Jul, dieser dänische Familientherapeut, der den Begriff der Gleichwürdigkeit in den Erziehungsdiskurs eingebracht hat.

00:18:42: Also nicht alle Menschen haben die gleichen Rechte, aber alle Menschen haben das gleiche Recht auf Würde.

00:18:47: Und das war zum Beispiel so ein Satz, der hat mich ... extrem gepackt und geprägt als junge Mutter, dass ich dachte, ja, das ist es.

00:18:55: So, genau, danach möchte ich leben und mein Kind großziehen.

00:18:58: Und gleichzeitig war, als ich mit meinem ersten Kind schwanger war, das war eben auch die Zeit, wo ich dann diese journalistische Praktikum gemacht habe, auf dem deutschen Buchmarkt.

00:19:12: Also, wenn du jetzt nach einem Erziehungsratgeber gesucht hast oder so, davon noch nicht viel zu merken, sondern die allermeisten Ratgeber hatten wirklich so diesen Rezept.

00:19:20: Buchcharakter, mein Kind macht nicht dies, also muss ich folgende Methode anwenden, dann macht mein Kind das.

00:19:25: Und es gab da eine ganz große Lücke zwischen dem, was viele Eltern empfunden haben und versucht haben zu leben und zwischen dem was aber ich sag mal so im medialen Mainstream.

00:19:38: repräsentiert wurde.

00:19:39: Das heißt, es war fast ein bisschen so eine Graswurzelbewegung unter Eltern, die gesagt haben, wir wollen die Dinge anders machen.

00:19:46: Und die haben sich dann in Internetforen gefunden, die damals noch eine total neue Sache waren.

00:19:51: Und es gab so eine Yahoo-Mailing-List.

00:19:54: Da merkt man auch von welcher Zeit wir reden.

00:19:56: Wo dann Eltern so untereinander aus dem englischen, übersetzte Texte geteilt haben darüber, wie dieses neue Erziehen auf Augenhöhe gehen könne.

00:20:05: Weil es noch keine... Bücher oder Zeitschriften oder sowas im deutschsprachigen Raum dazu gab.

00:20:11: Und ich war da sehr involviert und fand das alles total spannend und war so ein bisschen Teil dieser Szene, kann man vielleicht sagen, wo Eltern sagen, wir müssen die Erziehung neu erfinden.

00:20:23: Und kam sozusagen mit dieser Prägung, mit dieser Haltung dann in diese etablierte, alteingesessene Elternredaktion in München, wo ganz, ganz viele erfahrene Journalistinnen und Journalisten arbeiteten, viele schon seit zehn, zwanzig, dreißig Jahren.

00:20:37: die einfach noch eine ganz andere pädagogische Prägung hatten.

00:20:42: Und die einfach immer so weitergeführt hatten in ihrem Heft.

00:20:45: Und in der Redaktion war da auch grad so eine Umbruchstimmung.

00:20:48: Also die Journalistinnen und Journalisten haben gemerkt, die Eltern verändern sich, die suchen nach was Anderem.

00:20:54: Und wir sind da grad nicht mehr so hundert Prozent dran mit unserem Angebot.

00:20:57: Aber wir wissen jetzt auch nicht so ganz genau, was die von uns wollen.

00:21:02: Und dann kam ich ... Und war sozusagen so die personifizierte junge Schwangere, die sagte, das wollen wir.

00:21:10: Und haben natürlich dann auch das Glück gehabt, wirklich da praktisch so eine Tür aufstoßen zu können, wo mir dann wirklich auch einen Raum bereitet wurde zu sagen, okay, dann schreib du als Stimme einer neuen ... Elterngeneration über das was dich und euch bewegt.

00:21:27: und da habe ich dann in relativ kurzer Zeit also ich habe dann dann Praktikum gemacht und danach dann als feste Freie da auch geschrieben wirklich von sozusagen kurzen Servicetexten als Praktikantin hin zu Titelgeschichten dann so Raum bekommen und habe dann wirklich sämtliche Themen ein bisschen gegen den Strich gedreht und neu geschrieben.

00:21:50: und Da haben wir damals in der Redaktion auch Diskussionen geführt, die kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

00:21:56: Also ich habe eine Geschichte geschrieben zum Thema, unser Kind schläft im Familienbett, also schläft mit uns im großen Bett.

00:22:02: Und das ist ja wirklich jetzt was, wo man heute sagen würde, das ist doch keine Geschichte, das ist einfach normal, das macht doch jeder Zweite.

00:22:08: Und damals gab es richtig Diskussionen, ist das okay und angemessen, wenn eine Mutter erzählt, unser Kind schläft bei uns im Bett und das nicht als Problem erzählt, wie kriege ich es da raus, sondern sagt, wir finden das gut so.

00:22:21: Das passt für uns.

00:22:22: Und da gab es wirklich sehr gewisse Leserbriefe von Empörung bis Begeisterung.

00:22:28: Also das hat richtig polarisiert.

00:22:30: Oder ich habe ein Artikel geschrieben.

00:22:33: Mein Stilltagebuch hieß der, wo ich die Stillzeit mit meinem ältesten Kind so, ne?

00:22:37: Tagebuchartig aufgefächert habe.

00:22:40: Und ich habe mein ältestes Kind ... ungefähr zwei Jahre gestillt und allein sozusagen diese Stilldauer so abzubilden als eine Form von Normalität.

00:22:50: Im Sinne von für mich war das gut und richtig, nicht sechs Monate zu stillen oder vier, sondern halt zwei Jahre, hat richtig massive Reaktionen hervorgerufen.

00:22:59: Wie kann man sowas sichtbar machen?

00:23:01: Wie kann man sowas als Normaldats darstellen?

00:23:05: Woher

00:23:05: wusstest du?

00:23:06: Dass das aber richtig so ist, also das weiß ich auch noch, oder ist heute immer noch so, macht man das eigentlich irgendwie richtig.

00:23:14: Und es gibt ja eine Art von Orientierung, du hast schon Jesper Jule genannt, war für uns auch wichtig.

00:23:20: Aber trotzdem so, ich kenne auch noch genau diese, soll er noch bei uns schlafen oder nicht?

00:23:26: und diese totale Orientierungslosigkeit.

00:23:29: Die eigenen Eltern sagen das.

00:23:32: Jesbojul sagt das.

00:23:34: Also wem soll man da vertrauen?

00:23:36: Und diese Unsicherheit hat man ja die ganze Zeit als Eltern.

00:23:39: Woher wusstest du, dass das richtig ist?

00:23:41: Das ist eine gute Frage.

00:23:43: Also ich glaube tatsächlich, dass damals, so vor ungefähr zwanzig Jahren, meine Tochter wird jetzt neunzehn, meine älteste Kind, Die Unsicherheit vielleicht bei Eltern, die diesen neuen Weg gegangen sind, fast noch ein bisschen geringer war, als die Unsicherheit ein paar Jahre später als dein Sohn geboren wurde, weil das eben noch so ein bisschen dieser pädagogische wilde Westen war im Sinne von, es gab noch ganz wenig Anleitung oder Bücher, es gab mehr so eine Haltung und so Diskussion und der... Der Vibe, so ein bisschen in dieser Community war eher dieses, wir brechen auf und machen was anderes und das ist auf jeden Fall gut.

00:24:19: Und es gab aber noch gar nicht so sehr diese eng gezurten Vorstellungen wie diese bindungsorientierte Erziehung, wenn man die so nennen will, jetzt ganz konkret aussehen soll.

00:24:28: Es war einfach so die... Prämisse, wenn wir gut auf unsere Kinder hören, wenn wir gut mit denen in Kontakt sind, wenn wir denen Liebe und Nähe geben, dann werden wir es schon richtig machen.

00:24:37: Und das hat auch eine große Freiheit mit sich gebracht, zu sagen, wir schlafen alle in einem Bett, und solange es uns gut geht, ist es super.

00:24:43: Und ich stille mein Kind, solange ich will, und dass mein Kind es will, und daran kann nichts verkehrt sein.

00:24:48: Also, das hatte auch so eine gewisse Einfachheit, dann das gar nicht so sehr zu zerdenken, einfach zu sagen, alles, was sich so bindungsmäßig gut anfühlt.

00:24:56: scheint gut zu sein.

00:24:59: Und dann hab ich eben angefangen, darüber Artikel zu schreiben.

00:25:02: Und andere haben auch angefangen, darüber Blocks zu schreiben.

00:25:05: Und da war ich ja nicht die einzige Person, die dazu dann was gemacht hat.

00:25:09: Aber ich war eben halt so in dieser Schlüsselposition, in dieser Elternzeitschrift, da eben dann so ein bisschen diese Ideen aus so einem Miniforum im Internet sozusagen in die breite Masse zu tragen.

00:25:27: Und dann hat man wirklich wahrgenommen, wie sich dann eben auch so medial was verändert hat.

00:25:31: Also auf einmal sind andere Texte erschienen über Erziehung.

00:25:34: Es wurden neue Expertinnen interviewt.

00:25:36: Es sind eine unfassbare Zahl an neuen Erziehungsratgebern erschienen.

00:25:41: Man hatte zwischenzeitlich das Gefühl, es gibt eigentlich nur noch bindungsorientierte Ratgeber-Literatur.

00:25:45: Es gibt gar nichts anderes mehr.

00:25:47: Das ist jetzt das Feld.

00:25:49: So machen wir das jetzt.

00:25:51: Und das hat einerseits, glaube ich, ganz viel Positives ... mit sich gebracht, weil, glaube ich, ganz viele Familien wirklich bestärkt wurden, diese alte Angst vor dem Verwöhnen wirklich abzulegen und zu sagen, nee, wenn sich das gut anfühlt für uns und unser Kind, dann machen wir das.

00:26:08: Und gleichzeitig ist natürlich mit dieser so ein bisschen Professionalisierung von Bindung, Sorretheit, der Elternschaft auch mehr Druck in manchen Familien eingezungen, weil man gab es ganz viele Ratgeber und Anleitungen.

00:26:19: die dann auch teilweise formuliert haben, das darf man, das darf man auf keinen Fall.

00:26:22: Dann haben Eltern das Gefühl gehabt, okay, da kann man auch viel falsche machen.

00:26:27: Wir wollen auch nicht irgendwas verbocken mit unserem Kind.

00:26:33: Und ... Dann kam soziale Medien dazu, das Erstärken von Facebook, von Instagram.

00:26:39: Dann wurde Bindungsorientierten Hashtag.

00:26:42: Leute haben ihre Form von Bindungsorientierung oft auf so eine sehr perfekte Weise inszeniert.

00:26:48: Und dann kam da Ebenen dazu, die eigentlich mit Bindung gar nichts zu tun haben.

00:26:51: Also auch so eine bestimmte Ästhetik.

00:26:53: Weißt du, mischt sich dann so ein bisschen mit so einer Öko-Waldorf.

00:26:56: Bei uns ist alles Bio.

00:26:58: Und meine Kinder tragen nur selbst gestrickte Sachen und so.

00:27:01: Ästhetik.

00:27:01: Und dann ... Hat das natürlich auch teilweise so ein Performance-Druck bei Eltern ausgelöst, zu sagen, okay, gute Eltern müssen also nicht nur in einer bestimmten Weise mit ihren Kindern umgehen, sondern die müssen auch in einer bestimmten Weise konsumieren und leben und wohnen und aussehen dabei.

00:27:17: Und jetzt in den letzten ... zwei Jahren, würde ich sagen, gibt es teilweise echt jetzt auch wieder so ein bisschen eine Gegenwehr gegen diese Bindungsorientiere, Leute, die sich davon abgrenzen, die sagen, das ist alles zu stressig, das treibt die Eltern in den Burnout, wir müssen wieder so ein bisschen zurückkehren zu einer anderen Form von Erziehung, die vielleicht auch ein bisschen einfacher sich anfühlt als dieses permanente Erforschen, wie sind die Bedürfnisse aller in der Familie.

00:27:44: Das sehe ich mit einer großen Sorge, weil ich denke, Bindungsorientierung kann absolut falsch verstanden werden und over the top präsentiert werden.

00:27:53: Und wir müssen wirklich aufpassen, dass da niemand ausbrennt.

00:27:56: Da bin ich die Allererstin, die das sagt.

00:27:58: Aber gleichzeitig steckt in diesen pädagogischen Veränderungen der letzten zwanzig Jahre so eine immense Errungenschaft, die dürfen wir auf keinen Fall wieder zurückrollen, sozusagen und sagen, das ist uns jetzt zu anstrengend und zu kompliziert geworden, uns auf Bindung zu konzentrieren.

00:28:13: Sondern wir müssen, glaube ich, wirklich Wege finden.

00:28:15: uns das zu bewahren und gleichzeitig immer wieder kritisch zu bleiben, wenn daraus eine Form von Ideologie gemacht wird oder so ein Dogmatismus einzieht, weil Bindung und Dogmatismus vertragen sich überhaupt nicht.

00:28:26: Bindung braucht Raum für Unperfektheit, für Fehler machen, für den eigenen Weg suchen.

00:28:32: Und als ich eben Mutter geworden bin, hatte ich das Gefühl, genau diesen Weg, diesen Raum da auch zu finden.

00:28:39: Junge Mutter, nicht den Anspruch an, mich alles perfekt zu machen.

00:28:42: Ich hab einfach immer gedacht, solange mein Kind und ich gut miteinander in Beziehung sind, ist alles gut.

00:28:48: Voll schön, dass du das konntest.

00:28:49: Und ich weiß auch genau, was du meinst, diesen ... durch Instagram und all das hat es sich dann irgendwann völlig verändert.

00:28:56: Und eben durch ... Unmengen an Büchern, Podcasts und was ich erst schon sagte.

00:29:02: Und dann gibt es noch die eigenen Eltern und diese völlige Verwirrung.

00:29:06: Das verstehe ich.

00:29:07: Wenn jetzt Menschen sagen, ah, das ist alles zu viel gar nicht im Sinne von Perfektion, sondern im Sinne von zu viel Helikopter.

00:29:13: Die werden verweichlicht.

00:29:16: Was hast du gesagt?

00:29:16: Die alte Angst vorm Verwöhnen.

00:29:18: Da gibt es ja auch eine, weil dann könnte Folgendes passieren.

00:29:23: Was ist das Klischee, was sich da immer wieder wiederholt und was sagt da eine Wissenschaft und auch eine Erfahrung, dass das irgendwie vielleicht Quatsch ist?

00:29:31: Ja, also wir haben ja in unserer Kultur eine lange Geschichte der autoritären Erziehung hinter uns.

00:29:37: Sie ist tief in unsere kulturelle DNA eingebrannt und in der autoritären Erziehung geht es letztlich immer darum, dass die erwachsene Machtposition sichern müssen und die Kinder müssen gehorchen.

00:29:47: und das größte Risiko... für diese Machtdynamik ist, wenn Kinder sich sozusagen zu sicher fühlen.

00:29:52: Weil dann kommt es zur Palastrevolution, dann dreht sich sozusagen, das macht Gefälle um.

00:29:56: Und die Kinder werden die Herrscher und dann geht die Welt unter.

00:29:59: so, also nach autoritärem Verständnis.

00:30:02: Und deswegen wird in der autoritären Erziehung immer und immer wieder davor gewarnt, dass Kinder Haustür rannen werden können, wenn man sie verwöhnt.

00:30:10: Also es gibt diesen berühmten Satz aus Johanna Haara, die deutsche Mutter und ihr erstes Kind, was ja so ein ganz... verbreiteter Erziehungsratgeber in der NS-Zeit war, der auch danach noch lange Zeit bis in die Achtziger verlegt wurde.

00:30:23: Und da gibt es eben diesen Rat, wenn ein Kind weint, dann kommst du dieses dann, liebe Mutter, werde hart.

00:30:30: Denn wenn du nun sozusagen nachgibst, dann ist bald der Haustüran fertig.

00:30:35: Und das wird wirklich so als Drohszenario aufgemacht.

00:30:38: Wenn du weich bist, wenn du sanft bist, wenn du dich von den Tränen, von den Weinen an das Kindes erweichen lässt.

00:30:45: dann schadest du dir und deinem Kind, weil dann dein Kind zum Türranden wird und fortan die Familie terrorisiert.

00:30:52: Und das ist eine trakronische Drohung und die steckt vielen von uns immer noch unbewusst sozusagen in den Knochen, auch wenn wir nicht vielleicht diese Sprache verwenden würden, aber diese Angst zu sagen, wenn ich jetzt nachgebe, wenn ich jetzt weich bin, dann ... Könnte mein Kind daraus lernen, dass es keine Regeln für es gibt, dass es sich an keine Grenzen halten muss.

00:31:13: Das steckt immer noch in vielen Leuten drin.

00:31:15: Und dieser Tyrannenbegriff, also wirklich auch dieser Begriff, ein Kind kann so ein diktatorischer Despot werden durch zu weiche Erziehung.

00:31:23: Der wurde ja auch in Erziehungsdiskursen immer und immer wieder berührt, benutzt.

00:31:28: Also Michael Winterhoff hat, in dem Jahr, war das Jahr, warum unsere Kinder tyrannen werden, geschrieben und voll den Bestseller damit gelandet.

00:31:34: Und er ist vor wenigen ... Wochen habe ich in der Zeit ein Artikel gelesen, wo irgendjemand wieder gewarnt hat, davor, dass Kinder tyrannen werden, weil wir einfach zu sanft und zu nett mit ihnen umgehen.

00:31:46: Und die Entwicklungspsychologische Forschung besagt eben das Gegenteil, dass allerwichtigste für ein kindliches Aufwachsen ist.

00:31:57: Warmherzigkeit, ein Rahmen der Sanftheit des Verständnisses, mit klaren Grenzen, ganz klar.

00:32:03: Es geht nicht um so eine laisse-faire Erziehung, wo man Kinder einfach machen lässt.

00:32:11: Das ist auch eine Form von Beziehungslosigkeit.

00:32:14: Aber tatsächlich ist diese Angst vor dem Verwöhnen in allermeisten Fällen unbegründet und das, was wir oft in unserer Gesellschaft immer noch Verwöhnen nennen, ist oft einfach ein Eingehen auf kindliche Bedürfnisse, ein Beantworten kindlicher Bindungssignale.

00:32:31: Ich muss dazu sagen, dass es natürlich auch ein Phänomen, der sogenannten Überbehütung gibt.

00:32:36: Das ist auch pädagogisch erforscht, dass wenn Eltern zum Beispiel selbst sehr viele Ängste haben, dass es dann passieren kann, dass sie ihre Kinder so einhegen und ihnen viel zu wenig Erfahrungen erlauben.

00:32:48: Du darfst nicht die Straße allein langgehen, du darfst auf keinen Baum klettern, du darfst nicht die Rutsche runterrutschen.

00:32:53: Das könnte ja was passieren.

00:32:55: Und das wirkt sich tatsächlich... Negativ auf das Selbstwertgefühl und auch so diese Selbstwirksamkeit von Kindern aus.

00:33:04: Das heißt, wir müssen schon aufpassen, dass wir unseren Kindern alters- und entwicklungsgerechte Erfahrungen auch zutrauen und auch zumuten.

00:33:12: Und bindungsorientiertes Begleiten bedeutet nie nur schützen, sondern immer auch ein bisschen schubsen.

00:33:19: Auch mal sagen, trau dich, ich stehe hinter dir, aber... wachst über dich hinaus.

00:33:24: Aber das darf alles in so einer feinfühligen Beziehung passieren.

00:33:28: Nicht im Sinne von ich lass dich los und dann gucken wir mal, ob du fliegen kannst, sondern immer in diesem dran bleiben.

00:33:34: Und wenn wir das tun, wenn wir mit unseren Kindern in so einer authentischen, lebendigen Beziehung bleiben, wo wir auch erkennen, braucht manchen jetzt grad ein bisschen mehr Schutzraum oder braucht jetzt jetzt grad so einen sanften Schubs, dann müssen wir vor dem Verwöhnen überhaupt keine Angst haben.

00:33:50: Welche Rolle spielen wir Eltern in dieser Beziehungsorientierten Erziehung.

00:33:57: Also, wer sind wir?

00:34:00: Auf dieser Suche danach, Bindungsorientierung zu erklären, Bindungsorientierung zu definieren, haben verschiedene Menschen verschiedene Bilder gefunden.

00:34:09: Jesper Juhl hat dieses Begriff des Leitwölfs und der Leitwölfin geprägt.

00:34:13: Er spricht auch sehr gerne.

00:34:16: von Leuchtturmeltern.

00:34:17: Eltern, die wie ein Leuchtturm sind, die stabil stehen und den Weg weisen, aber eben nicht selber raus aufs Meer schwimmen und die Kinder sozusagen einfangen, sondern die haben trotzdem ihre Freiräume und die Eltern geben Orientierung.

00:34:28: Es gibt verschiedene Bilder, die da sonst noch so kursieren.

00:34:33: Mir selbst gefällt auch dieses Bild ganz gut, dass wir Eltern so ein bisschen wie Wanderführer sind.

00:34:41: Also, wenn man sich jetzt so vorstellt, man geht ... Wann dann?

00:34:46: Dann kann man sich vorstellen, da gibt es jemanden, der kennt das Gelände, der geht voraus, der guckt sozusagen, dass die Gruppe gut versorgt ist und lässt trotzdem jede Person auch so ein bisschen im eigenen Tempo seine eigenen Schritte machen und auch eigene Erfahrungen machen.

00:34:59: Aber es gibt so ein gutes Gefühl, dass jemand dabei ist, der aufpasst, der Verantwortung übernimmt, der Weitsicht hat.

00:35:08: Ich glaube, in der Bindungs- und Beziehungsorientierung ist es wichtig, sich als Eltern klarzumachen, dass sich die eigene Rolle mit der Entwicklung des Kindes auch immer wieder wandeln muss.

00:35:17: In den ersten Jahren sind wir für unsere Kinder unfassbar wichtig für ihr unmittelbares Überleben.

00:35:23: Wir haben eine ganz starke Fürsorgerolle im ganz körperlichen Sinne.

00:35:27: Wir sind dafür verantwortlich, dass sie genug essen und warm genug angezogen sind und genug Schlaf bekommen.

00:35:32: Und je älter unsere Kinder werden, desto mehr dürfen sie sich lösen.

00:35:35: aus dieser Form der Fürsorge.

00:35:37: Aber sie brauchen immer noch Menschen, die mit ihnen emotional verbunden bleiben.

00:35:41: Die so einen Raum bieten dafür, Konflikte und Gefühle zu reflektieren.

00:35:48: Und wirklich, dass wir in der Art Coaches fast für unsere Kinder werden, diese Entwicklung sowohl wollen.

00:35:54: und wir stehen dann immer mehr auch so an der Seitenlinie.

00:35:56: Gleichaltrige werden wichtig, irgendwann erste Beziehungspartner, Beziehungspartnerinnen werden wichtig.

00:36:02: Und die müssen Raum bekommen, den dürfen Wäldern nicht verstellen.

00:36:05: Aber es ist ein Unterschied, ob man sich dann umdreht und sagt, Erziehung ist jetzt erledigt, ja, my job is done.

00:36:11: Oder ob man eben sagt, ich bin immer noch eine wichtige Person, ich hab einfach nur eine neue Rolle, eine neue Position im Leben meines Kindes.

00:36:19: Und da geht es viel um ... um Feinfühligkeit darum zu versuchen, zu erspüren, wie mein Kind mich gerade braucht, in welcher Rolle ob ich mich gerade ein bisschen mehr involvieren muss, ob ich gerade wieder einen Schritt zurückgehen muss.

00:36:32: Und das ist nicht linear, sondern es gibt immer wieder Phasen im Leben unserer Kinder, wo sie auch das Recht haben, sich von uns abzugrenzen und wo wir dann nicht beleidigt sein dürfen, wenn sie Sachen alleine erledigen wollen.

00:36:43: Und dann gibt es wieder Phasen, wo sie ganz überraschend uns nochmal sehr brauchen.

00:36:48: Also mein ältestes Kind ist jetzt gerade... Ausgezogen, erste eigene Wohnung, hat jetzt gerade angefangen zu studieren.

00:36:56: Und da ist natürlich ganz viel Selbstständigkeit und ganz viel Entdeckerlust im Raum.

00:37:01: Und gleichzeitig auf einmal noch mal so eine Bedürftigkeit, die ich seit Jahren nicht kannte, weil einfach mit diesem Rausgehen in die große, weite Welt auch noch mal so ein Bedürfnis nach emotionaler Sicherheit nach einem Hafen da ist.

00:37:14: Und dann eben zu sagen, okay, jetzt noch mal Hafen sein.

00:37:20: Und wie ist das für dich?

00:37:21: Also ich erinnere mich an Gwyneth Paltrow, ihre älteste Tochter, die sie zusammen mit Chris Martin hat.

00:37:29: Ich bin großer Co-Play-Fan, deswegen möchte ich Gwyneth Paltrow natürlich auch.

00:37:32: Apple heißt die, oder?

00:37:32: Apple, genau.

00:37:33: Und sie sprach beim Auszug ihrer Tochter von Wellen der Trauer.

00:37:40: Fand ich ein schönes Bild.

00:37:42: Wie ist das für dich?

00:37:45: Als

00:37:46: Leitwölfin.

00:37:47: Also es ist eine große Umstellung, wenn das erste Kind das Nest verlässt.

00:37:52: Und gleichzeitig bin ich tatsächlich weniger im Moment gerade von Trauer betroffen, als von so einem gewissen Staunen einfach auch, wie aus diesem kleinen Kind diese große Person werden konnte.

00:38:09: Und es gibt da auch so ein gewisses Gefühl von Stolz in mir.

00:38:15: Wenn wir uns noch mal so vorstellen, dieser Beginn dieser Elternschaftsreise.

00:38:19: Mein Mann und ich waren sehr, sehr jung, als wir unser erstes Kind bekommen haben, noch im Studium.

00:38:24: Und wir haben versucht, ganz viele Dinge anders zu machen.

00:38:26: Und es war so ein bisschen, dieses Mann geht einfach mal los.

00:38:28: Und ich habe oft an dieses Gedicht von Hilde Domin gedacht, die hat ... diesen schönen Satz geschrieben.

00:38:34: Ich setzte meinen Fuß in die Luft und sie trug.

00:38:37: Und so hat sich manchmal dieses Erziehen angefühlt.

00:38:39: Man geht einfach mal los und setzt den Fuß in die Luft mit diesem kleinen Kind auf dem Arm und hofft, dass da was trägt.

00:38:45: Und natürlich haben wir auch manchmal schräge Blicke und Kritik bekommen für unseren Weg.

00:38:51: Und Leute haben gefunden wir ... Halten unsere Tochter vielleicht in der Unselbstständigkeit, weil sie langgestillt wurde, weil sie viel getragen wurde, weil sie bei uns im Bett geschlafen hat, weil wir keine Abschiede oder Selbstständigkeitsentwicklung erzwungen haben.

00:39:06: Und dann jetzt so knapp zwanzig Jahre später dazustehen und zu sehen, wie so ein junger Mensch sein Leben in die Hand nimmt und anfängt, sich sein eigenes Reich einzurichten und so.

00:39:15: Das gibt einem auch so ein Gefühl von, hat doch geklappt.

00:39:19: Es war gut, dass wir vertraut haben.

00:39:21: Es war gut, dass wir diese Nähe gegeben haben.

00:39:23: als es dran war.

00:39:25: und was für eine selbstbewusste und wunderbare junge Erwachsene ist daraus jetzt geworden.

00:39:32: Und ja, also es liegt sicherlich dann auch viel im Detail in den USA.

00:39:39: Es ist ja sehr, sehr häufig so, dass wenn dann junge Leute ausziehen zum Studieren, dass sie dann gleich viele ...hundert Kilometer entfernt und am anderen Ende der USA in irgendein College gehen und dann nur noch zu Thanksgiving nach Hause kommen.

00:39:51: Bei uns ist das ja alles oft ein bisschen moderater, was so die Distanzen angeht.

00:39:55: Das heißt, ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass jetzt unsere Tochter sozusagen aus unserem Leben verschwunden ist und wir sehen die noch regelmäßig und haben auch viel Kontakt.

00:40:04: Aber es ist im Moment wirklich eher so ein Staunen.

00:40:09: Mitfreund bewundern und erleben, dass Bindung und Beziehung keine Frage von unterm selben Dachleben ist, sondern dass, wenn man so eine Bindung zueinander hat und eine Verbindung zueinander spürt, dass man die auch über Distanz und auch wenn man sich mehrere Tage nicht sieht, gut halten kann.

00:40:26: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mein Kind in irgendeiner Weise verloren habe.

00:40:30: Ich habe einfach das Gefühl, unsere Beziehung ist jetzt auf einer neuen Ebene, in einer neuen Zeit angekommen, aber wir sind nicht weniger verbunden deshalb.

00:40:39: Es gibt ja diese Filmszenen, wo die Kinder dann ausziehen und wo dann große Tränen natürlich auch trotzdem geweint werden oder eben Wellen der Trauer.

00:40:49: Wie habt ihr das als Familie?

00:40:52: Wie begleitet man dann solch Moment?

00:40:54: Also so zusammen dann auch.

00:40:56: Also ist das erlaubt dann voneinander zu weinen oder sagt man dann nie lieber nicht, weil ich will es ihr ja auch nicht so schwer machen und nicht zu bedürftig wirken und... Einerseits Hafen sein, andererseits aber auch, ja gut, also für deine ... Dein Ikea-Möbel aufbauen, da bin ich jetzt einfach nicht mehr zuständig.

00:41:15: Oh, also wir haben viele Ikea-Möbel aufgebaut.

00:41:19: Also tatsächlich war das für uns so ein Familienprojekt, diese ganz, ganz kleine Wohnung, in der meine Tochter da gezogen ist, auch wirklich gemeinsam ein bisschen herzurichten, zu streichen.

00:41:29: Und die jüngeren Geschwister waren da auch viel dabei und involviert.

00:41:32: Und ich erinnere mich schon daran, dass das auch ein ... Ein bisschen ein beklemmendes Gefühl war.

00:41:37: quasi, also unsere Tochter hat er sich dann gewünscht, dass wir, bevor das Studium beginnt, alle zusammen, also die ganze Familie noch mal sozusagen bei ihr in dieser winzigen kleinen neuen Wohnung abends essen.

00:41:46: Und dann mussten wir halt irgendwann irgendwann fahren und sie da quasi allein zurücklassen.

00:41:50: Und das war schon ein emotionaler Moment.

00:41:52: Da haben auch die jüngeren Geschwisterkinder geweint und waren so, aber du gehörst doch zu unserer Familie und so.

00:41:59: Da war wichtig, diesen Traum auch zu lassen für Traurigkeit, für einen gewissen Abschiedsschmerz.

00:42:04: Dieses Gefühl, es endet, das ist wirklich ein bisschen eine Zäsur.

00:42:08: Und gleichzeitig diese schwere, ja, wirklich im besten Sinne zu halten, ohne sie jetzt weg.

00:42:18: Zaubern zu wollen oder sagen, das ist doch nicht so wild.

00:42:20: Wir sehen uns ja schon in ein paar Tagen wieder.

00:42:22: Sonst sagen die, das ist jetzt auch ein Schritt und das darf auch traurig sein und es darf aber auch dann schön werden.

00:42:28: Also man muss in dieser Traurigkeit nicht verharren.

00:42:30: und ich, was ich unterschätzt hatte, war, wie sehr das die Geschwisterkinder beschäftigen würde, wie das ist, wenn vier Kinder in einem Familienhaushalt leben und auf einmal sind es nur noch drei und wie man das begleiten muss, das wirklich auch einfach... Abschiedsschmerz dann da über Wochen und Monate wirklich präsent und fühlbar war.

00:42:51: Und gleichzeitig, und das ist jetzt sicherlich unsere spezielle Situation auch, war für mich das Absurdeste einfach, in dieser kleinen Studentenwohnung meiner ältesten Tochter zu sein.

00:43:04: und so zu reflektieren über diese letzten zwanzig Jahre miteinander und wie wir angefangen haben, von als die ein Baby war bis zu jetzt, wo sie ihr eigenes Leben beginnt und parallel schwanger zu sein mit unserem jüngsten Kind und zu denken.

00:43:17: Und das geht jetzt alles wieder von vorderlos.

00:43:19: Also so diese Gleichzeitigkeit, von man hat ein Kind groß gekriegt und das jüngste Kind ist aber noch gar nicht geboren.

00:43:26: Heidanei.

00:43:27: Das war so, dass ich dachte, wie viel kann ein Herz gleichzeitig halten?

00:43:31: Weißt du was ich meine?

00:43:32: Einfach so eine unglaubliche Überlappung von Emotionen, wo man denkt, man ist doch eigentlich normalerweise entweder schwanger und bereitet sich auf das vor, was kommt oder man ist an diesem bisschen nostalgisch, oh mein Kind ist großort, aber beides gleichzeitig kann man doch nicht aushalten.

00:43:51: Aber so ist es bei uns.

00:43:55: Das

00:43:55: kann ich dir nicht sagen, es ist einfach so.

00:43:59: Es ist einfach in unserem Leben so ein bisschen ein bestimmendes Thema, dass wir sehr viel Gleichzeitigkeit haben.

00:44:07: Und sehr, sehr oft in unserem Leben, glaube ich, auch sehr widersprüchliche Erfahrungen irgendwie zur gleichen Zeit erlebt und gehalten haben.

00:44:17: Und das menschliche Herz kann, glaube ich, mehr gleichzeitig fühlen, als man das oft so einschätzen würde, bevor man es erlebt hat, weißt du?

00:44:28: Und geht das, weil ihr diesen unterschiedlichen Gefühlen auch jeweils den Platz gibt und nicht sagt, naja, jetzt okay, trauer, jetzt weg, weil es kommt ja schon bei Thema Neues dazu.

00:44:44: Also das ist ja, wir tendieren ja zu sagen, okay, das gehen die guten Gefühle und das sind die schlechten Gefühle.

00:44:50: Und dann sagen wir, so schlimm ist es ja nicht, es kommt ja morgen auch wieder.

00:44:56: Morgen scheint ja auch wieder die Sonne verhalten.

00:45:01: Aber natürlich ist es eine Gleichzeitigkeit, aber die meisten Menschen unterdrücken dann eher.

00:45:08: Habt ihr es dann hingekriegt, weil es die ganze Zeit ... oben haltet.

00:45:11: Also das ist ja auch das, wozu du so ein bisschen plädierst in der Erziehung zu sagen, okay, hier mein gefühlsstarkes Kind, alle Gefühle sind erlaubt, aber auch bei mir.

00:45:21: Genau.

00:45:21: Also ich glaube schon, das wäre mein subjektives Empfinden, dass dieser Ansatz, wie wir mit Emotionen und Bedürfnissen umgehen, seit zwanzig Jahren jeden Tag, was die Kinder angeht, was uns angeht, dass das dabei hilft tatsächlich auch als erwachsene Person.

00:45:37: Ich sag mal so ein bisschen, emotionskompetenter zu werden.

00:45:39: Also wirklich ein Konzept davon zu haben, zu sagen, viele Gefühle können und dürfen gleichzeitig da sein.

00:45:45: Und ich muss nicht das eine Gefühl gegen das andere Gefühl abwägen und sagen, welches ist jetzt wichtiger.

00:45:51: Und ich muss keine Gefühle wegschieben.

00:45:53: Und ich muss auch nicht jedes Gefühl sofort praktisch mit einem Trostpflaster versehen.

00:46:00: Also du von morgen scheint wieder die Sonne, sondern ich kann das lernen.

00:46:03: diese Gefühle gleichzeitig einfach da sein zu lassen.

00:46:07: Und das hab ich als Mutter lernen müssen, dass wenn meine Kinder zum Beispiel wütend sind und sich verweigern, dass diese Gefühle da sein dürfen und das auch mein eigenes Gefühl von Frust vielleicht in dem Moment, warum klappt das jetzt nicht so, wie ich will, auch da sein darf und auch legitim ist und dass ich meine Gefühle nicht wegschieben muss und die meines Kindes nicht wegschieben muss.

00:46:28: Und wenn man das übt im täglichen Miteinander, und das gelingt natürlich nicht immer, dann habe ich schon das Gefühl, dass man durch so eine Art Emotionsschule geht, wo man mit der Zeit auch wirklich lernt, auch in seinem eigenen Leben mehr Raum zu lassen für auch widersprüchlichste Gefühle in ihrer ganzen Gleichzeitigkeit.

00:46:45: Und dass das auch mir persönlich hilft mit solchen eigentlich kaum zu verarbeitenden ... Situation umzugehen.

00:46:58: Und das ist ja gar nicht so selten.

00:46:59: Wie viele Menschen bekommen ein Kind und in großer zeitlicher Nähe stirbt jemand anderes aus der Familie.

00:47:07: Das gibt es ja nicht selten, dass man dann Trauer und Freude und vermissen und kennenlernen und alles gleichzeitig erlebt.

00:47:15: Und es gibt Menschen, die beschreiben da eine große emotionale Zerrissenheit.

00:47:19: Und ich kann das... sehr, sehr gut verstehen.

00:47:21: Und wenn es in meinem Leben zu solchen Situationen kam, habe ich ganz bewusst wirklich versucht, in diese Gefühle reinzugehen, die nicht wegzuschieben, nicht zu sagen, ich habe für das Gefühl, es ist keine Zeit, ich muss jetzt das Gefühl leben, sondern wirklich mir selber immer wieder zu sagen, mein Herz ist groß genug, um das alles gleichzeitig zu fühlen.

00:47:42: Ich darf das gleichzeitig.

00:47:45: haben in meinem Leben und diese Gefühle machen einander keine Konkurrenz in dem Sinn, sondern die sind alle gleichzeitig da.

00:47:51: Und das hilft jetzt im Moment gerade auch, das zu können.

00:47:56: Das scheint total wichtig für dich zu sein, diese sowieso in der Beziehung eine Augenhöhe zu haben, aber auch gleichzeitig auch, was Gefühle betrifft.

00:48:06: Also das eigentlich alles ist, ist equal, oder?

00:48:09: Also das ist irgendwie, wirkt so, dass das so ein totales Bedürfnis von dir ist.

00:48:14: Hm.

00:48:16: Ja, also ich, ne?

00:48:18: Ich hab vorhin schon mal diesen Gedanken dieser Gleichwürdigkeit angesprochen.

00:48:22: Das ist ja sicherlich kein Zufall, wenn so ein Begriff mit einem auch so irgendwie in Resonanz geht, ne?

00:48:28: Ich habe ja vorhin erzählt, dass ich irgendwie als

00:48:31: Kind sehr

00:48:33: oft Leute genau beobachtet habe und einfach auch wahrgenommen habe.

00:48:39: Also als Kind ist man, ja, da hat man ja auch relativ feine Antennen.

00:48:44: Es gab Menschen in meinem Umfeld, die habe ich als grundsätzlich sehr lebenszufrieden erlebt.

00:48:48: Auch wenn die traurig war, da unter dem Strich.

00:48:50: Es gibt Menschen, wo man denkt, denen geht's gut mit sich und der Welt.

00:48:53: Es gibt andere Menschen, die leiden mehr an sich und der Welt.

00:48:57: Und ich hatte oft das Gefühl, dass Menschen, die grundsätzlich für sich ein gutes Leben haben, oft Menschen sind, die auch Widersprüchlichkeiten und Gleichzeitigkeiten aushalten können, die unterschiedlichen Gefühlen Raum geben können.

00:49:11: Und das war was, wonach ich ... gestrebt habe irgendwie.

00:49:16: Also ich habe eine sehr, sehr enge Beziehung als Kind zu allen meinen Großeltern gehabt, aber ganz insbesondere zu meiner Großmutter, die so eine sehr, sehr lebensfreue Patente, Frau war.

00:49:28: Und da fand ich das zum Beispiel faszinierend, dass relativ häufig, wenn ich bei ihr war, sie mir Geschichten erzählt hat von Menschen in ihrem Leben.

00:49:38: die verstorben waren.

00:49:39: Sie hat ihren Bruder verloren, als der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, der, sein, schließen sich nicht aus, sondern das kann gleichzeitig existieren.

00:50:04: Und das war so eine ganz frühe Erfahrung damit zu sagen, erstaunlich, wie unterschiedliche Menschen mit sowas umgehen und wie bereichern.

00:50:14: und schön fühlt sich das als Kind an, in der Präsenz von den Menschen zu sein, der das kann, diese... Lebensfreude spüren und aber gleichzeitig auch Raum lassen für andere Gefühle gleichzeitig.

00:50:26: Und das ist was, was ich, glaube ich, so ein bisschen unbewusst dann abgespeichert habe als, das fühlt sich einfach gut an.

00:50:32: Also einfach als Kind ganz objektiv in der Präsenz von einem Menschen zu sein, der das kann.

00:50:37: Und dann zu denken später, ich möchte das auch gerne lernen.

00:50:41: Wie hast du das geliebt?

00:50:42: Ja, das ist eine Frage, ne?

00:50:44: Weil ich kann mir das vor, also nicht alle haben so eine große Mutter wie du.

00:50:49: Also wahrscheinlich niemand.

00:50:52: Aber ich kann mir das also auch im Sinne von, okay, ich muss ja so viel auf die Ketten kriegen.

00:50:59: Und jetzt reden wir nicht von vier Kindern, sondern auch Job, Haushalt.

00:51:06: Die ist das.

00:51:06: Und jetzt fühle ich mich so.

00:51:07: Und jetzt fühle ich mich so.

00:51:09: Also meistens ist man, das kenne ich auch, in so einem Funktionier-Modus.

00:51:14: Und dann hat man eigentlich, also jetzt für Gefühle, haben wir jetzt gerade gar keine Zeit.

00:51:19: Und dann irgendwann kommt natürlich der Breakdown.

00:51:22: Da kommen wir später, glaube ich, noch ein bisschen zu.

00:51:23: Aber wie kann man so ein, wie kann man es üben, den Gefühlen ein Raum zu geben und jedem Gefühl ein Raum zu geben?

00:51:31: Ja.

00:51:32: Du, da, also... Was kann ich dir sagen?

00:51:37: Also ich glaube, dass es bei mir da mehrere Punkte gab, die zusammen kamen.

00:51:40: Ich glaube, dass die Art und Weise, wie ich selbst aufgewachsen bin, obwohl auch schon ein Fokus darauf war, wie geht es dir, was brauchst du, sehr geholfen hat, dass ich immer schon, glaube ich, auch selber ganz gut mit mir und meinen Gefühlen in Kontakt war.

00:51:51: Ich war nie so ein Kind, das einfach, sag ich mal, nur funktionieren musste.

00:51:55: Sondern es gab immer auch in meiner Kindheit Raum für meine Gefühle.

00:51:59: Das ist natürlich ein wertvoller Startpunkt.

00:52:03: Mir hat durchaus auch die ... Ich sag mal so, so ein bisschen intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Thema geholfen, also einfach Bücher zu lesen, mich damit zu befassen.

00:52:12: Jesper Jules haben wir schon genannt, auch auch andere Schriften, wo einfach ich verstanden habe, dass wir als Menschen in der Lage sind, auch die Art und Weise, wie wir denken und fühlen, ein Stück weit auch zu trainieren, dass wir auch Entscheidungen treffen können, wie wir mit unseren Emotionen umgehen, dass wir da eine gewisse Selbstwirksamkeit haben und unseren Emotionen nicht einfach ausgeliefert sind.

00:52:35: Mir hat das geholfen, in zwischenmenschlichen Beziehungen, in der Beziehung mit meinem Mann, in Beziehung mit meinen Freunden, das auch ein Stück weit zu üben, also wirklich auch in zwischenmenschlichen Beziehungen, so ein Raum dafür zu schaffen, zu sagen, ich würde jetzt gerne über dieses und jenes Gefühl reden.

00:52:49: Ich brauche gar keine Lösung, oder?

00:52:51: Wichtiger Punkt.

00:52:52: Sondern

00:52:52: ich brauche einfach, dass wir das gemeinsam aushalten können, dass dieses Gefühl jetzt gerade da ist.

00:53:00: Das ist ein total wichtiger Punkt, also nicht zu sagen, ich bin jetzt traurig und bitte du musst das jetzt überhaupt nicht lösen, sondern nimm einfach an, dass ich traurig bin.

00:53:07: Genau, also das war zum Beispiel in der Beziehung mit meinem Mann, ein total wichtiger... Entwicklungsschritt, mein Mann und ich sind zusammen seit wir achtzehn waren, also auch so eine Jugendliebe ganz früh kennengelernt.

00:53:17: und mein Mann ist ein unglaublich netter und fürsorglicher Mensch, der sehr schlecht aushalten konnte früher, wenn Menschen traurig waren, der immer so diesen Impuls hatte zu helfen, zu trösten, zu fixen und der eben auch sehr oft bei mir dann auf Äußerungen von Traurigkeit, Verzweiflung.

00:53:34: mit so einem Lösungsmodus reagiert hat.

00:53:36: Wir sind kein Problem, Schatz, kriegen wir hin.

00:53:40: Und das ist ja auch total liebevoll.

00:53:42: Und gleichzeitig hatte ich oft das Gefühl, das ist nicht das, was ich brauche.

00:53:45: Und dann auch in der Beziehung darüber, eine Sprache zu finden, zu sagen, ich wertschätze total, was du hier willst.

00:53:52: Aber das ist grad gar nicht das, was ich suche.

00:53:54: Das ist gar nicht mein Bedürfnis.

00:53:55: Mein Bedürfnis ist, dass du mit mir die Unauflöslichkeit dieses Gefühls gerade aushälst und erträgst.

00:54:04: Das war ein krasser Lernschritt und Entwicklungsschritt für uns in der Beziehung.

00:54:10: Und ich habe durch meine Arbeit, ich habe ja unglaublich viele Interviews geführt mit.

00:54:17: Wenn man in dieser Welt unterwegs ist, habe ich auch sehr viel profitiert von der fachlichen Expertise aller Menschen, die sich ihr ganzes Berufsleben lang mit so was beschäftigen.

00:54:26: Ich habe jahrelang Interviews geführt für die Zeitschrift Eltern und andere Zeitungen und Zeitschriften, wo ich oft das Gefühl hatte, aus diesen Gesprächen selbst am meisten mitzunehmen.

00:54:35: Manchmal darf man ja mit den glücklichsten Köpfen, die zu solchen Themen forschen, zwei Stunden reden und am Ende ... kommt da ein relativ kurzes Interview raus.

00:54:43: Aber man selber hat ja die langen Version mitbekommen und hat sozusagen alles in sich aufnehmen dürfen.

00:54:49: Und ich glaube, ich war immer schon eine Person, die dann dieses Wissen, diese Impulse wirklich aufgesaugt hat wie ein Schwamm.

00:54:58: Und dann für sich da so was draus exzipiert hat.

00:55:01: Und was ich zum Beispiel aus ganz vielen Gesprächen mit unterschiedlichsten Menschen aus der Hirnforschung, Entwicklungspsychologie mitgenommen habe, ist, dass Es ist ein großer Unterschied macht, wie wir als erwachsene Menschen sozusagen mit uns selbst sprechen, wie quasi unsere innere Stimme ist, ob wir so eine Sanftmut uns selbst gegenüber haben oder ob wir eher mit so einer Härte, so einem Antreibermodus, so ein stelle ich nicht an, reiß dich mal zusammen so mit uns reden.

00:55:28: Und wir haben alle mehrere Stimmen in uns sozusagen mehrere Anteile und wir brauchen die auch.

00:55:33: Manchmal braucht man auch eine Antreiber, der sagt, sonst kriegst du jetzt fertig und manchmal brauchen wir diese Sanftmut.

00:55:39: Aber für mich war das zum Beispiel ein ganz wichtiger Ersatz, dass eine Bindungsforscherin zu mir gesagt hat, wir können auf lange Sicht mit unseren Kindern nur so sanft sein, wie wir zu uns selbst sanft sind.

00:55:49: Wir können hunderttausendmal probieren, diese Rolle anzunehmen, der liebevollen Mutter.

00:55:55: Wenn wir uns selbst gegenüber nicht liebevoll sind, wird irgendwann immer die Härte durchbrechen.

00:56:01: Und dann sozusagen krass, oder?

00:56:03: Voll.

00:56:04: Wenn ich möchte, dass meine Kinder in echten Sanftmut ... Rose, wenn du das möchtest, dann muss ich mit mir sanft sein.

00:56:11: Wie geht das denn?

00:56:13: Zu sagen, hey, was brauchst du jetzt?

00:56:16: Vielleicht hast du für heute genug gemacht.

00:56:19: Setz dich mal hin.

00:56:20: Machst du einen Tee?

00:56:21: Also wirklich so in diesen Fürsorge-Modus, sich selbst gegenüberzugehen.

00:56:26: Nicht auf so einer oberflächlichen, New Age-mäßigen Weise, weißt du im Sinne von, oh man, der Selbstfürsorge-Routine beginnt morgen zum Fünf mit Matcha und Dankbarkeits-Tagebuch, sondern wirklich ehrlich, authentisch.

00:56:37: in diese Sanftheit mit sich selbst reinzugehen.

00:56:41: Das war für mich ein totaler Game-Changer.

00:56:44: Das Sanfte würde ich gerne noch mal ein bisschen aufbrechen wollen, gar nicht zu dir selbst, sondern auch das Thema Bedürfnisse.

00:56:54: Du hast das gesagt, was brauchst du?

00:56:57: Was brauchst du Kind?

00:56:59: Und letzten Endes, also ich gebe noch mal so ein Beispiel von mir.

00:57:07: Als unser Sohn noch sehr jung war, habe ich ihn ständig gefragt, was er denn essen will, ob er jetzt zu dem Spielplatz gehen will oder zu dem Spielplatz.

00:57:16: Und ich habe irgendwann festgestellt, absolute Überforderung hat gar keine Ahnung, was er braucht oder will, sondern irgendwie, und ich merke das jetzt immer noch, wenn ich so mache, wenn Brenzler bergt, die Eltern, die da ihre Kinder wieder fragen, sie wissen es nicht, ich würde es ihm immer gerne sagen.

00:57:32: Und ich würde gern verstehen wollen, Noch mal, also auch für Leute, die das noch gar nicht so leben vielleicht, also wie unterscheide ich denn, woher weiß ich denn, das ist jetzt wirklich ein Bedürfnis und das ist jetzt vielleicht ein Wunsch.

00:57:47: Da ist, finde ich, nach wie vor Marschel Rosenberg, der begründet der gewaltfreien Kommunikation.

00:57:54: der beste Erklärer für den Unterschied zwischen Bedürfnissen und Wünschen, der ja ganz klar sagt, wir Menschen sind Bedürfniswesen, wir haben alle bestimmte Dinge, die wir brauchen.

00:58:04: Und diese Bedürfnisse sind aber eher ... weit gefasste Erfahrungen, nach denen wir streben.

00:58:10: Also wir haben natürlich körperliche Bedürfnisse, das Bedürfnis nach Nahrung, das Bedürfnis nach Schlaf und so weiter.

00:58:14: Aber wir haben auch emotionale Bedürfnisse, das Bedürfnis nach Sinn, das Bedürfnis nach Autonomie, aber auch das Bedürfnis nach Nähe und Verbundenheit zum Beispiel.

00:58:22: Und die sind universal.

00:58:23: Alle Menschen haben die ein unterschiedlich starker Ausprägung, aber die haben wir alle gemeinsam.

00:58:28: Und Wünsche.

00:58:30: die wir oft spüren, viel besser oft spüren können als unsere Bedürfnisse, sind eben Strategien, sich diese Bedürfnisse zu erfüllen.

00:58:36: Das heißt sozusagen, wir haben vielleicht nicht das universelle Bedürfnis nach Nähe und Verbundenheit, wir wünschen uns aber, dass unser Partner uns in Arm nimmt.

00:58:45: Also das ist dann die konkrete Umsetzung.

00:58:47: Dadurch wollen wir uns dieses Bedürfnis erfüllen.

00:58:50: Und Wünsche sind eben auch sehr spezifisch.

00:58:53: Und ganz viel Frustration in Familien entsteht auch daraus, dass Wünsche oft so ein bisschen unvereinbar sind.

00:58:59: Ich will dies, du willst das.

00:59:00: Das passt nicht zusammen.

00:59:01: Was machen wir jetzt?

00:59:02: Wenn wir sozusagen das schaffen, hinter manche Wünsche zu schauen und zu sagen, welches Bedürfnis versuche ich mir, mit diesem Wunsch zu erfüllen, können wir oft verstehen, worum es uns eigentlich geht und dass es ganz, ganz, ganz, ganz viele Strategien gibt, sich dieses Bedürfnis zu erfüllen und dass wir dann auch vielleicht gar nicht so verbießt seit Miteinander sein müssen, weil die Bedürfnisse sich oft viel leichter unter ein Hut kriegen lassen als die Wünsche.

00:59:27: Weil wenn ich zum Beispiel ein Bedürfnis nach Nähe und Verbindung habe als Grunderfahrung tiefes menschliches Bedürfnis, dann heißt es nicht, dass eine spezifische Person mir dieses Bedürfnis erfüllen muss.

00:59:38: Das kann das auch sein.

00:59:40: Das können ganz unterschiedliche Menschen sein und zum gewissen Grad kann ich mir selber auch einen Bedürfnis nach Nähe und Verbundenheit erfüllen.

00:59:47: Dafür muss ich aber verstehen, dass das hinter meinem Verhalten gerade steht.

00:59:52: So, und wenn wir das jetzt versuchen, einmal kurz zu übertragen auf das Leben mit Kindern, wir neigen oft dazu, weil wir ja dieses verbügelte Leben auf Augenhöhe leben wollen, diese Bedürfnisorientierung genau in dem Sinne falsch zu verstehen, wie du das gerade so gesagt hast.

01:00:05: Wir stellen den Kindern eine Million Fragen und wollen die ganz viele Alltagsentscheidungen.

01:00:09: treffen lassen, damit die sich bloß nicht übergangen fühlen.

01:00:13: Und wozu das oft führt, bei Kindern ist die sogenannte Entscheidungsparalyse.

01:00:17: Also die können sich einfach nicht mehr entscheiden, weil es so anstrengend ist, permanent jeden Mist gefragt zu werden.

01:00:23: Und wir Erwachsene kennen das im Grunde genommen auch, dass wir, wenn wir permanent Entscheidungen treffen müssen, irgendwann so ermüden und manchmal so denken, ist mir völlig egal, entscheide irgendwas für mich.

01:00:33: Ich will jetzt nicht mehr gefragt werden, was es zum Abendessen gibt, ich will einfach was zu essen bekommen.

01:00:38: Und auch dahinter steckt ein Bedürfnis, nämlich ein Bedürfnis auch nach einer gewissen kognitiven Entlastung.

01:00:45: Also, dass wir nicht die ganze Zeit nachdenken müssen.

01:00:47: Und auch das ist ein gewisser Akt der Fürsorge, dass auch mal jemand für uns sagt, weißt du, was wir machen, das jetzt einfach.

01:00:53: Und dann können wir uns zurücklehnen und sagen, danke.

01:00:55: Und das müssen wir bei unseren Kindern erkennen, dass, wenn wir den Impuls haben, autoritäre Erziehungsmuster zu überwinden und eben Kinder nicht so diktatorisch zu führen.

01:01:06: dass nicht bedeuten darf, dass wir unseren Kindern jede Alltagsentscheidung aufweisen.

01:01:10: Insbesondere dann nicht, wenn wir eigentlich eine klare Präferenz haben.

01:01:14: Es hilft dann Kindern extrem, wenn wir als Eltern, und da kommen wir wieder zu diesem Leitwolf-Gedanken, in einem ganz positiven und wertschätzenden Sinne die Führung übernehmen und sagen, weißt du was, Schatz?

01:01:25: Jetzt gehen wir zu dem Spielplatz und danach gehen wir noch beim Bäcker vorbei und dann gehen wir nach Hause und dann essen wir Abendessen, dann lese ich eine Geschichte vorne und dann weiß das Kind.

01:01:32: was es zu erwarten hat und ist oft dankbar um diese Orientierung, um diese Führung.

01:01:37: Und die Gleichwürdigkeit kommt dann in dem Moment zum Tragen, wo ein Kind von sich heraus an irgendeinen Punkt uns zeigt, dein Plan funktioniert jetzt gerade für mich nicht mehr.

01:01:51: Das Kind war auf dem Spielplatz, ist erschöpft und will Partu nicht mehr mit uns zum Bäcker gehen, obwohl wir das vorher besprochen haben.

01:01:59: Und dann ist eben die Frage, werde ich dann massiv und sagt, das haben wir gesagt.

01:02:03: Das ist mir egal, wie es dir geht, da machst du jetzt mit.

01:02:05: Oder schaffen wir, in dem Moment zu sagen, ich sehe hier in Bedürfnis zum Beispiel nach Ruhe und Erholung.

01:02:09: Ich sehe, dass mein Kind jetzt einfach nicht mehr kann.

01:02:12: Und ich endere meine Pläne jetzt in irgendeiner Form.

01:02:15: Und dann gibt es wieder eine ganze Bandbreite an Handlungsoptionen.

01:02:20: Also es gibt ja nicht nur die Option, gehe ich jetzt noch zum Bäcker oder nicht.

01:02:24: Es gibt vielleicht auch die Option zu sagen, ich sehe, dass du erschöpft bist, du musst jetzt nicht mehr laufen.

01:02:28: Ich trage dich ein Stück, wir gehen noch ganz kurz Brötchen holen und dann gehen wir nach Hause oder ich bring dich nach Hause.

01:02:35: Das zweite Elternteil bereitet mir die schon mal Abendessen vor, während ich nochmal kurz zum Bäcker gehe.

01:02:39: Also es gibt ja ganz viele Möglichkeiten, aber es ist ein Unterschied, ob ich quasi meinem Kind aus so einer falsch verstandenen Bedürfnisorientierung eine Milliarde Alltagsentscheidungen aufhalse, die es völlig überfordern.

01:02:52: oder ob ich es schaffe, hinter sein Verhalten zu blicken und in Momenten der Verweigerung der Nicht-Kooperation eben unerfüllte Bedürfnisse zu sehen und nicht einfach trotz schlechtes Benehmen einen Machtkampf, den ich jetzt irgendwie gewinnen muss.

01:03:09: Du hast eine schöne Beschreibung dafür, du nennst das zugewandtes Durchsetzen.

01:03:14: Das fand ich total passend eigentlich, also dass man so wie es verstanden haben, wie du es jetzt auch gerade erklärt hast, Man will dann schon zum Bäcker gehen, weil man das irgendwie auch muss.

01:03:24: Aber man muss auch gleichzeitig zugewandt mit der anderen Person, mit dem Kind, schauen, wie kriegt man das jetzt hin.

01:03:29: Und ist mein Weg jetzt gerade so der richtige, ziehe ich das jetzt durch, weil ich denke, ich muss das durchziehen.

01:03:35: Es ist wirklich notwendig, so verstehe ich das.

01:03:37: Genau, genau.

01:03:38: Ja, und es ist eben so, dass viele Eltern immer noch drinhängen in dieser ... In diesem Trugschluss, dass wenn wir nur sanft und liebevoll mit unseren Kindern genug sind, dass sie dann aus lauter Dankbarkeit dafür, dass wir so nett sind, immer machen, was wir sagen.

01:03:52: Also es gibt so dieses falsche Heilsversprechen, das manchmal in bindungsorientierten Kreisen so kolportiert wird, sondern von wir müssen einfach nur mega sanft sind und alles gut erklären.

01:04:02: und dann verhalten sich unsere Kinder so engelsgleich, dass wir quasi gar keine Konflikte mehr haben.

01:04:08: Und das ist wirklich... False Advertising.

01:04:11: Das stimmt so einfach nicht.

01:04:13: Kinder, die keine Angst vor ihren Erwachsenen haben, und das ist unser Ziel, die zeigen uns auch auf, wenn sie auf Dinge keinen Bock mehr haben.

01:04:20: Wenn sie sagen, will ich nicht, möchte ich nicht, ist mir jetzt zu viel.

01:04:25: Und dann müssen wir einen Umgang damit finden.

01:04:27: Und manchmal können wir auch kontrolliert nachgeben und wirklich bewusst, als die Erwachsenen entscheiden, du dann halt nicht.

01:04:33: Das ist mir jetzt nicht so wichtig.

01:04:35: Auch das ist eine völlig valide Option.

01:04:37: Auch das ist keine Palastrevolution.

01:04:39: Da bricht uns kein Zacken aus der Krone, aber oft müssen wir uns auch zugewandt durchsetzen.

01:04:45: Und dieses zugewandte Durchsetzen ist eben der Unterschied.

01:04:49: Diese zugewandtheit im Durchsetzen besteht in diesem Unterschied, dass wir uns nicht verhärten, dass wir nicht anfangen, wütend und aggressiv unserem Kind gegenüber zu werden, weil es unsere Pläne vereitelt, sondern dass wir das aushalten zu sehen.

01:05:03: Unser Kind hat einen guten Grund, etwas nicht mehr zu wollen.

01:05:05: Ich habe aber trotzdem einen guten Grund, etwas zu wollen.

01:05:08: Und ich habe jetzt auch das Recht, als die erwachsene Person das durchzusetzen.

01:05:12: Aber ich kann es so sanft und unterstützend und liebevoll tun, nicht gegen meinen Kind, sondern mit meinem Kind.

01:05:17: Und das ist für manche Menschen ... Vielleicht erst mal schwer vorstellbar, aber es macht für ein Kind einen unglaublichen Unterschied, mit welcher Haltung wir ihn begegnen.

01:05:28: Wenn du dir jetzt vorstellst, du hast ein kleines Kind und es möchte sich Part two im Auto nicht anstehen lassen.

01:05:32: Du musst irgendwo hin und es will nicht in Kindersitz.

01:05:34: So.

01:05:36: Es passiert sehr, sehr oft, dass Eltern auf das Kind einreden mit Engels Zungen und irgendwann so wütend werden, dass ihre ... ganzen liebevollen Versuche nicht fruchten, dass sie das Kind irgendwann recht grob schnappen, in den Autositz drücken, mit aller Macht zuschnallen.

01:05:51: Und wenn das Kind dann schreit und sagt, Aua, das tut mir weh, dann sagen Eltern oft, ja, hättest du halt mitgemacht, dann wird's jetzt auch nicht wehtun, selber schuld.

01:05:58: Und das ist nachvollziehbar aus der Überforderung heraus.

01:06:03: Und gleichzeitig ist das natürlich für das Kind eine krasse Erfahrung zu merken, okay, wenn ich also nicht kooperiere wie das von mir.

01:06:11: erwartet wird, dann habe ich auch keinen Recht mehr auf Rücksichtnahme oder Sanfte, sondern dann darf man mir auch wehtun.

01:06:17: Und wenn ich mir die exakt gleiche Situation vorstelle mit zugewandtem Durchsetzen, würde ich auch mein Kind irgendwann nehmen und sagen, pass auf, ich setze dich jetzt in den Sitz, ob du willst oder nicht.

01:06:27: Und es kann sein, dass das Kind schreit und sich wehrt.

01:06:30: Und wenn das Kind aber dann sagt, das tut mir weh, dann sage ich.

01:06:34: Das soll es nicht.

01:06:35: Ich versuch, das so sanft wie möglich zu machen.

01:06:37: Ich drücke mein Kind in den Sitz mit der gebotenen Kraft, damit es da reingeht, aber nicht noch mit dieser zusätzlichen Wachteraggression im Sinne von, das soll ruhig merken,

01:06:47: dass

01:06:48: es hier zu weit gegangen ist.

01:06:51: Und das sind Nuancen im Unterschied.

01:06:53: Vielleicht, wenn man das von außen filmen würde, würde man im ersten Moment denken, die beiden Situationen sind doch quasi Deckungsgleich.

01:06:59: Aber es macht einen Riesenunterschied, ob ein Kind ... Gerade in einer Situation, wo wir Eltern unsere Macht auch wirklich ausüben, das Gefühl hat, an dem Moment auch seinen Recht auf Würde zu verlieren, weil es nicht gehört hat.

01:07:13: Oder ob seine Eltern das schaffen, diese Gleichzeitigkeit der Gefühle zu halten von, ich setze das jetzt durch, weil es notwendig ist und ich respektiere trotzdem dich und deine Grenzen und ich mache dich nicht persönlich dafür verantwortlich, dass es jetzt für mich gerade eine schwierige Situation ist.

01:07:29: Da spreche ich ganz viel darüber und da schreibe ich auch ganz viel darüber.

01:07:32: Und das ist ein wichtiges und komplexes Thema.

01:07:37: Und es gibt immer wieder auch Familien, die sich damit sehr schwer tun.

01:07:40: Aber das ist tatsächlich eines der Themen, zu dem ich mit die meisten dankbaren Rückmeldungen auch bekomme, wo Eltern wirklich sagen, endlich gibt uns jemand mal auch für so eine schwierige Situation eine konkrete Idee an die Hand, wie wir damit umgehen können, weil viele ... liebevolle Ratgeber, die Enden halt an dem Punkt zu sagen, wenn sie es wirklich wollen und klar sind, dann wird ihr Kind schon mitmachen.

01:08:02: Und das ist halt nicht so.

01:08:03: Das ist nicht so.

01:08:05: Das ist nicht so.

01:08:07: Aber wie gehst du in diesen Situationen mit dem schlechten Gewissen?

01:08:12: Es gibt ja manchmal genau das, dass man ... es nicht hingekriegt hat, dass man doch zu grob war, dass man völlig überfordert ist.

01:08:20: Man muss schnell zur Arbeit, das Kind will nicht zur Schule, es ist und so weiter, es gibt ja ganz... Und dann hat man mal den Ton nicht getroffen und war wirklich ein Zugrob und hat genau das gemacht, was du erst sagtest, nämlich... Wer ist so durchgedreht?

01:08:38: Wie geht man damit um, dass ein auch dieses schlechte Gewissen... Auch nicht bis zum, sagen, Nimmerleinstag begleitet und noch eine Schleife.

01:08:49: Also ist mir auch Parma passiert und interessanterweise, mein Sohn weiß es alles noch.

01:08:54: Und das ist so, verdammt, ich dachte, du hast es vergessen.

01:08:58: Also auch mit dem Wissen jetzt, das weißt du ja auch.

01:09:01: Und jetzt wieder schwanger sein.

01:09:03: Also wie geht man bestenfalls damit um?

01:09:07: Ja.

01:09:09: Ich bin natürlich auch überhaupt nicht frei von diesen Schuldgefühlen, von diesem Abends im Bett liegen, nochmal Situationen durchspielen und denken, Mensch, da hätte ich mich anders verhalten sollen.

01:09:18: Ich wünschte, ich könnte in der Zeit zurückreisen und diesen Satz zurücknehmen, dieses Wort, dieses Anpacken, was zu grob war.

01:09:27: Ich glaube, es ist wichtig, diese Scham- und Schuldgefühle, so unangenehm sie sind, ein Stück weit auch wehrzuschätzen.

01:09:34: So lange es ist gut, dass wir die haben, weil die in gewisser Weise auch ein Zeichen für unseren moralischen Kompass sind.

01:09:41: Also, wir merken, wie sich unser Denken und Handeln gegenüber Kindern verändert hat.

01:09:47: Daran, dass uns solche Dinge Schuldgefühle machen.

01:09:50: Viele Eltern vor sechzig oder siebzig Jahren hätten gesagt, das muss halt.

01:09:54: Also ... Da muss man sich auch gar keine Gedanken drum machen.

01:09:56: So erzieht man Kinder.

01:09:57: Und dass wir heute dabei so ein Störgefühl haben, zeigt uns ja in gewisser Weise auch, nee, so will ich mit meinem Kind nicht um den Kind.

01:10:03: Es ist gut, wenn ich spüre, dass das nicht mit meinen Werten übereinstimmt.

01:10:09: Und dann ist es aber wichtig, dass aus diesem Schuldgefühl, dass diesen Punkt markiert.

01:10:14: Das war eine Grenzüberschreitung, das war nicht okay.

01:10:16: Nicht so eine Endlosschleife wird, die uns ewig belastet, sondern dass wir quasi diesem Gefühl sozusagen sagen können, danke schön.

01:10:23: Wichtiger Reminder, ich hab's kapiert, du kannst jetzt gehen.

01:10:26: Also, dass wir das sozusagen auch wieder loslassen können.

01:10:29: Und da hilft mir wieder dieser Gedanke von Sanftmut und Großzügigkeit, die ich mir selbst gegenüber zeigen können muss, wenn ich sie auch meinen Kindern gegenüber zeigen können will.

01:10:45: Also, ich versuch mir in solchen Momenten, wo ich solche Schuldgefühle habe, vorzustellen, mir steht mein Kind gegenüber und hat ein Schuldgefühl, weil das etwas falsch gemacht hat.

01:10:55: Immer mal wieder, dass meine Kinder, die streiten ja auch miteinander.

01:10:58: Manchmal wird das körperlich und manchmal tun die sich weh.

01:11:00: Und dann erlebe ich danach diese Momente von Reue, wo dann so ein achtjähriges Kind vor sich steht und sagt, ich habe meine Schwester gehauen, das war echt nicht gut.

01:11:07: Und dann überlege ich, was mache ich in so einem Moment?

01:11:09: Dann gehe ich da hin und sag, ist gut, dass du das erkennst?

01:11:13: Ich finde es wichtig, dass du um Verzeihung bittest oder da irgendwie eine Wiedergutmachung anbittest, aber dann darfst du es auch loslassen.

01:11:19: Du bist kein schlechtes Kind.

01:11:21: Du bist kein schlechter Mensch.

01:11:22: Du warst wütend in der Situation.

01:11:24: Das ist passiert.

01:11:24: Du hast es erkannt.

01:11:28: Du darfst dir verzeihen.

01:11:29: Und diesen Schritt versuche ich dann auch bei mir selber sozusagen anzuwenden.

01:11:34: Und mir selbst zu sagen, du tust alles, was du kannst, um eine gute Mutter zu sein.

01:11:40: Du bist nicht perfekt.

01:11:42: Das war keine gute Situation.

01:11:44: Es ist gut, dass du das erkennst.

01:11:46: Du kannst dich entschuldigen.

01:11:49: Du kannst versuchen, Dinge wieder gut zu machen.

01:11:51: Du kannst daraus lernen.

01:11:52: Und jetzt darfst du es loslassen.

01:11:57: Aber es ist ja manchmal gemein das Leben.

01:12:00: Und vielleicht gelingt dieser Moment.

01:12:05: Und dann, zwei Tage später, wumms exakt die gleiche

01:12:09: Nummer.

01:12:11: Und dann sitzt man wieder da und sagt, ja, also Nora Matze.

01:12:16: Ja, na klar.

01:12:19: Manchmal ist man hier in so einer Schleife drin.

01:12:22: Vielleicht auch, weil da noch was Altes wirkt, weil man es irgendwie nicht genau im Griff hat, weil man auch nicht weiß, wie man es irgendwie macht in so einer Situation, weil man verdammt noch mal gestresst ist.

01:12:31: Ja, ja, ja.

01:12:32: Und dann ...

01:12:34: Du stellst Fragen.

01:12:36: Nein, also das gibt es ja ganz häufig.

01:12:38: Dass es eben nicht so ist, dass wir einmal erkennen, das war eine ungute Situation.

01:12:42: Und dann sozusagen wie durch Zauberhand sagen, ich habe Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, jetzt passiert das nicht wieder.

01:12:47: Wunderbar.

01:12:47: Sondern wir laufen ja manchmal hundertmal gegen dieselbe Wand.

01:12:51: Und es gibt einfach Themen, die viel in uns auslösen.

01:12:55: Und bei mir zum Beispiel ganz persönlich kann ich.

01:12:58: offen erzählen.

01:12:59: Ist das zum Beispiel das Thema Hausaufgaben?

01:13:01: Ich bin, habe ich erzählt, das Kind von zwei Lehrkräften und Schule und auch, sag ich mal, Sachen für die Schule machen, hat bei uns zu Hause schon eine große Rolle gespielt.

01:13:10: Schule war nicht egal.

01:13:12: Und für mich als Kind war einfach klar, Hausaufgaben kann man nicht infrage stellen, kann man nicht diskutieren, die werden einfach gemacht.

01:13:18: Es ist so eine Art eisernes Gesetz.

01:13:20: Und wenn meine Kinder, und es kommt durchaus vor, einfach sich partuweigern Hausaufgaben zu machen und einfach sagen, du kannst mich nicht zwingen, ich bin ein freier Mensch.

01:13:31: Dann macht mich das manchmal rasend.

01:13:33: Und dann merke ich, wie ich wirklich in Verhaltensweisen falle, die ich nicht gut finde, dann fange ich mal an zu bestechen und zu erpressen und Druck aufzubauen.

01:13:43: Weil ich einfach denke, es muss doch einen Weg geben, dass dieses Kind jetzt diese verflixen Hausaufgaben macht.

01:13:50: Manchmal knicken die Kinder dann ein unter diesem Druck und es fühlt sich nicht gut an.

01:13:54: und ich denke, was habe ich gemacht?

01:13:55: Und manchmal ist es auch so, dass man merkt, das eskaliert dann immer mehr.

01:13:59: Du kannst mir alles streichen, das ist mir völlig egal, ich mache es trotzdem nicht.

01:14:03: Erlebt man natürlich auch so seine eigene Hilflosigkeit als Eltern.

01:14:06: Und ich merke, dass dann gerade bei diesem Hausaufgaben-Theme, gerade redet man noch über einen Arbeitsblatt, auf einmal für mich so einfach einen Riesenbalast dann drauflegt, dass ich dann auf einmal anfange, die gesamte schulische Zukunft meines Kindes plus möglicher Berufstätigkeit auf einmal in Frage zu sehen und dann wirklich so ... ... heftig emotional reagiere und mich dann manchmal so verletzt fühle ... ... und so dieses Selbstmitleid reinrutschen.

01:14:33: Von jetzt tu ich schon so viel für dich.

01:14:35: Und du machst nicht dieses eine Arbeitsblatt, ... ... obwohl mir das so helfen würde.

01:14:38: Ja, also ganz schlimm.

01:14:40: Und das ist ein Thema, da bin ich nicht ... ... zwei oder vier oder acht Mal ausgerastet, ... ... sondern weiß ich nicht, ... ... achthundert Mal oder so war es in den letzten Jahren ... ... bei verschiedenen Kindern.

01:14:53: Und ... Da ist dann diese sanften Mut noch mal, ich sag mal, mehr gefragt.

01:14:59: So, dann wirklich halt auch, sich klar zu machen.

01:15:02: Manche Themen sind schwer.

01:15:04: Ich mag nicht so gerne diese poppsychologische Verwendung von dem Wort, das triggert mich.

01:15:09: Aber in dem Fall finde ich es mal wirklich angemessen, zu sagen, es gibt manche Punkte, an die wir so stoßen, die lösen bei uns so viel aus, die können wir nicht mal so eben überwinden, weil da eine ganze Armada an Glaubenssätzen dran hängt.

01:15:22: Und da dann, Diese Sanfbud sich mit sich selbst zu haben, zu sagen, das ist ein langes Thema.

01:15:30: Das wird uns noch ein paar Jahre verfolgen und ich versuche das zu reflektieren.

01:15:34: Ich versuche Strategien zu entwickeln.

01:15:36: Ich versuche mit meinem Mann gemeinsam zu reflektieren, wie könnte da unser Weg sein, dass mich das nicht jedes Mal wieder so kalt erwischt und dann diesen Perspektivwechsel so ein bisschen zu machen, zu sagen.

01:15:46: Ich feiere jedes einzelne Mal, wo mich das nicht hochfährt.

01:15:50: Ich fokussiere mich auf die Momente, wo es klappt, anstatt mich jedes Mal zu verurteilen für die Momente, wo ich das wieder mal nicht gut aushalten konnte.

01:16:00: Das hilft so ein bisschen.

01:16:01: Aber es ist auch so, ich werde in meiner Berufssitzigkeit natürlich durch diese Rolle, die ich habe, so oft nach Lösungen gefragt.

01:16:09: Was macht man hier, was macht man da, wie kann man das lösen?

01:16:12: Und die ehrliche Antwort ist bei manchen Themen, Es gibt da keine schnelle Lösung, sondern Kinder begleiten das manchmal richtig, richtig hart.

01:16:20: Das führt uns an unsere wundesten Punkte, an unsere Achillesferse ran.

01:16:26: Und manchmal gibt es da keinen Weg vorbei, sondern einfach nur durch.

01:16:30: Und manchmal ist das so, dass ein bestimmtes Thema uns über Jahre herausfordert.

01:16:36: Und wenn wir immer das Gefühl haben, das kann doch nicht sein, dass wir immer und immer und immer wieder ... ne?

01:16:42: und sozusagen den Fuß an dem selben Stein stoßen.

01:16:44: Aber es gibt da auch keine Abkürzungen auf dafür.

01:16:49: Manchmal ist es so, dass sowohl wir als auch unsere Kinder aushalten müssen, dass es Themen gibt, wo wir nicht so leicht aus unserer Haus kaut können, wo wir nicht mal eben mit einem bindungsorientierten Gedanken sagen können, ist doch alles gar kein Problem.

01:17:01: Sondern wo wir richtig daran verzweifeln, wo auch unsere Kinder manchmal wahrnehmen, das ist echt ein Thema das.

01:17:06: fällt meinen Eltern schwer.

01:17:09: Und ich will das nicht schönreden.

01:17:11: Das heißt nicht, dass da nicht auch manchmal Verletzungen passieren können.

01:17:15: Und gleichzeitig hilft mir da manchmal dieser Satz von den Gottmans, John und Julie Gottmans.

01:17:21: Das sind so Patra aus den USA, die ganz viel Forschung zu dem als zwischenmenschliche Beziehung gemacht haben.

01:17:26: Und die sagen den schönen Satz Relationships are rupture and repair.

01:17:30: Also Beziehungen leben auch aus Verletzungen.

01:17:34: Wiedergutmachungen dieser Verletzungen.

01:17:37: Und da versuche ich mich auch daran festzuhalten, zu sagen, eine stabile, tragfähige Eltern-Kind-Beziehung ist keine Beziehung, ohne Konflikte ist keine Beziehung, ohne Verletzungen oder Stresspunkte, sondern manchmal muss man miteinander durch richtige Krisenzeiten gehen.

01:17:54: Und wenn man aber trotzdem in der Verantwortung bleibt, an sich dran bleibt, immer wieder sagt, das ist mein Thema, das tut mir leid.

01:18:00: Ich hab's immer noch nicht geschafft, das zu überwinden, das liegt nicht an dir.

01:18:03: Du bist ein cooles Kind.

01:18:05: Ich wachse doch bei diesem Thema.

01:18:08: Dann kann da trotzdem ganz viel Verbundenheit bleiben, ne?

01:18:11: Du hast vorhin, ich wollte das einmal noch kurz aufgreifen gesagt, dass man manchmal so diesen Schmerz fühlt, wenn man merkt, mein Kind erinnert sich genau an die Momente, wo ich mich nicht gut verhalten habe.

01:18:23: Man würde das ja manchmal gerne in der Nacht so ausradieren.

01:18:25: Genau,

01:18:26: das ist nicht passiert.

01:18:27: Und ich habe selbst manchmal ganz stark diesen Wunsch, dass ich quasi kuratieren kann, was meine Kinder an Kindheitserinnerungen mitnehmen und sagen, also diesen Moment bitte Highlight, nur das bitte vergessen, damit wir gut dastehen.

01:18:40: Und das hat mich lange Zeit sehr umgetrieben, dass ich eben festgestellt habe, dass meine Kinder oft auch gerade schwierige Momente echt sehr gute Erinnerungen behalten.

01:18:49: Und dann manchmal richtig so ein Ungerechtigkeitsgefühl fass, hat er sich gedacht, wir haben so viel Gutes gemacht und das wir alles vergessen, aber das daran müsst ihr natürlich wieder erinnern.

01:18:56: Wie fies ist das denn so?

01:18:58: Und da dann innerlich auch an so einen Punkt zu kommen, zu sagen, es steht mir nicht zu, zu bestimmen, woraus die Kindheitserinnerungen meiner Kinder bestehen und meine Kinder haben ein Recht und es ergibt auch psychologisch Sinn, dass sie sich auch schwierige Momente... in Erinnerung behalten, weil die trotzdem prägend sein können.

01:19:19: Dafür, wie man Dinge z.B.

01:19:21: selber nicht machen will.

01:19:22: Wie viele Erwachsene haben eine Erinnerung, eine schmerzhafte Situation in ihrer Kindheit, die ihnen, wie so eine Mahnung ist, zu sagen, das will ich schon mal nicht machen.

01:19:31: Und natürlich will man selber als Eltern nicht so negativ bei Spiel sein.

01:19:35: Aber es ist trotzdem das Recht unserer Kinder, Situation in Erinnerung zu behalten und zu sagen, das brauche ich sozusagen mal noch, dieses Wissen.

01:19:44: um vielleicht manche Dinge verstehen zu können oder um Dinge anders machen zu können oder was auch immer.

01:19:49: Und ich glaube, dass ich da lange so eine Angst hatte, dass dann am Ende quasi in der Schlussbilanz rauskommen könnte, dass ich nicht gut genug war, dass wenn sie sich genug ... Interaktionen gemerkt haben, wo ich mich nicht vorbildlich verhalten habe, dass dann sozusagen am Ende das Zeugnis zu negativ ausfällt.

01:20:08: Und dann wirklich ...

01:20:09: Kein Lebenspreis.

01:20:10: Ja, so ein Urteil fällt.

01:20:12: Im Sinne von ja, steht's bemüht, leider nicht gut genug.

01:20:15: Und da dann irgendwann zu erkennen, das sind eigene Ängste, die einem auch so ein bisschen in so einer Leistungsgesellschaft entgefiltert werden.

01:20:24: Oder einfiltert, wenn von sich beweisen müssen, gut genug sein müssen.

01:20:30: Das hat wenig mit unseren Kindern zu tun.

01:20:32: Das war für mich ganz heilsam.

01:20:34: Also mein ältestes Kind ist jetzt auch erst, neunzehn und noch nicht, neununddreißig.

01:20:38: Da kann auch noch viel passieren an Aufarbeitung und Reflexion.

01:20:42: Aber für mich war das jetzt so berührend, auch so ein bisschen im Austausch mit unserem ältesten Kind, als es ausgezogen ist zu merken.

01:20:48: Gerade mit meinem ersten Kind habe ich natürlich super viel falsch gemacht in Anführungszeichen, weil wir das alles noch gelernt haben, weil wir noch unsicher waren.

01:20:57: Auch auf dem Weg mehr als jetzt teilweise.

01:21:00: Und unser Kind hat ein saugutes Gedächtnis und erinnert sich an unfassbar viel.

01:21:06: Und gleichzeitig ist da so eine grundsätzliche Wärme und Verbundenheit und die so, ja, ich erinnere mich an all das, aber ihr wart doch immer liebevolle Eltern, ihr habt euch doch immer Mühe gegeben und ich fühle mich bei euch doch sicher.

01:21:17: Und dass die Situationen, die schwer waren, ihr nehmt davon doch nichts weg.

01:21:22: Das fand ich so berührend zu sehen, dass dieses Bild, das ich dann manchmal im Kopf hatte von so einer großen Abrechnung, die irgendwann kommt, dass das gar nicht die Art und Weise ist, wie die meisten Jungen Erwachsenen auf ihre Kindheit zurückblicken.

01:21:37: Wenn sie ... im Großen und Ganzen so ein Gefühl von Bindungssicherheit mitbekommen haben.

01:21:42: Ich glaube, dieses Bedürfnis, dann irgendwann herzugehen und zu sagen, oh, und das habt ihr falsch gemacht, oh, und das, und das, und das.

01:21:48: Das kommt eher als Gegenreaktion, wenn Eltern sozusagen ihren Kindern sagen, also, wir haben alles richtig gemacht.

01:21:53: Und dann kommt irgendwann ein Kind und sagt, no way.

01:21:57: Aber wenn sozusagen wir als Eltern immer auch ... Einräumen, es gab Unperfektheiten, es gab Fehler, es gibt Dinge, die würde ich gern anders machen.

01:22:04: Dann integrieren Kinder das, glaube ich, so ein bisschen in ihr Selbstbild, in ihre Biografie und haben dann auch die Fähigkeit.

01:22:10: Und auch hier sind wir wieder bei der Gleichzeitigkeit sozusagen, das in der Waage zu halten, zu sagen, ich kann eine gute Kindheit gehabt haben und es kann schwierige Momente gegeben haben.

01:22:20: Und das eine schließt das andere nicht aus.

01:22:23: Ich meine, es war auch von dem Gott, Der sagte, ausreichend gut.

01:22:29: Ich kenne das aus einem Berufskontext eigentlich, dass man, wenn man in der Firma arbeitet und das eigentlich alle, immer irgendwas, es gibt immer was zu meckern.

01:22:39: Und unser Coach sagte dann irgendwann, Bettina fragte dann, ja, es ist denn aber, okay, ihr sagt die ganze Zeit, was Scheiße läuft bei mit Vergnügen, aber es ist denn ausreichend

01:22:47: gut.

01:22:49: Und dann war er so, ja,

01:22:50: eigentlich schon.

01:22:52: Und das setzt alle nochmal einen ganz neuen Punkt.

01:22:54: Und das habe ich, glaube ich, in einer der Bücher auch gelesen von Gottman.

01:22:57: Das ist auch in einer... Beziehung oder Erziehung genauso.

01:23:00: Es ist eigentlich ein ausreichend guter, gutes Elternteil eigentlich.

01:23:04: Also, dass es nicht um Perfektion geht.

01:23:06: Ja, es gab auch diesen britischen Kinderarzt Vinnie Cortes, der hat eben diesen Begriff, der gut enough mother geprägt.

01:23:13: Das sozusagen, und heute spricht man oft von good enough parents und dass eben das gut genug sein, völlig ausreicht für eine tragende Eltern-Kind-Beziehung.

01:23:21: Dass es nie um Perfektion geht oder ging und... Das ist tatsächlich auch was, was ich immer wieder in meinen Vordrängen, in meinen Workshops, in Eltern sage.

01:23:30: Es gäbe ja für ein Kind wirklich nichts Schreckliches, als total perfekte Eltern zu haben.

01:23:37: Also, wie schrecklich wäre das, wenn man als Kind das Gefühl hat, wir sind hier so eine Familie und die einzige Person, die jemals Fehler macht, bin ich.

01:23:44: Weil meine Eltern, die sind Gott gleich, die können alles, die machen niemals Fehler, die verhalten sich immer pädagogisch korrekt.

01:23:49: Es gibt keinen Punkt, in dem ich je besser werden könnte als sie, weil sie schon das machst.

01:23:53: Allerdinge sind.

01:23:54: Also ganz viel Entwicklungsmotivation für Kinder.

01:23:58: Er wächst ja auch darin, Eltern beim Fehlern machen und Scheitern zuzugucken und zu sagen, A, die sind auch nicht perfekt und B, hier und da könnte ich Dinger auch besser machen als die.

01:24:06: Also das ist auch eine Form von menschlichem Entwicklungsmotor zu sagen.

01:24:11: Naja, das meuernd das.

01:24:13: Das

01:24:13: meiher fehlen zwar nicht so wie die alten.

01:24:15: Und das ist tatsächlich auch was, was wir uns immer wieder vor Augen halten müssen und gleichzeitig erlebe ich das bei vielen Eltern.

01:24:22: Gerade Eltern, die ihre Sache wirklich sehr gut machen wollen, dass dieser Druck zu sagen, ja klar, gut, enough parents sein ist wichtig.

01:24:29: Aber wo genau verläuft denn jetzt die Grenze zwischen enough und nicht enough?

01:24:33: sozusagen, dass das viele Eltern sehr, sehr umtreibt, sehr viel Stress macht?

01:24:38: Was ich total schön fand, was für mich leichter macht, da geht es auch um Moral.

01:24:43: Und was immer wieder kommt, ist moralisch neutral.

01:24:46: Du hast es schon von dem moralischen Kompass berichtet.

01:24:49: Und ich glaube, was viele umtreibt, ist natürlich auch, wir reden, ich glaube, da nicht nur von Prenzlauerberg, sondern irgendwie von, wahrscheinlich, ja, es hat sich ja auch durchgesetzt.

01:25:02: Mediennutzung habe ich immer das bio essen.

01:25:05: kannst du erklären was du mit moralisch neutral meinst und warum es kein problem ist dosen ravioli tiefkühlpizza und warum es auch nicht so schlimm ist wenn das kind fortnight minecraft und so weiter spielt.

01:25:17: also ich fand das ganz interessant weil es eben auch so.

01:25:19: man hat ja auch da wieder ein schlechtes gewissen wenn man das irgendwie nicht wenn man denkt scheiß ich muss das jetzt schnell machen hier.

01:25:27: ich habe dir youtube freigeschauen.

01:25:30: Ja, genau.

01:25:31: Ja, also dieser Begriff der moralischen Neutralität, ich mag den sehr, aber er birgt auch natürlich Risiken falsch verstanden zu werden.

01:25:39: Deswegen ist es wichtig zu verstehen, wofür er steht und wofür er nicht steht.

01:25:43: Der Begriff Morally Neutral geht tatsächlich gar nicht auf mich zurück, sondern auf Casey Davis ist eine US-amerikanische Therapeuten, die sehr, sehr viel mit Erwachsenen arbeitet, die ADHS oder Autismus haben und aufgrund dessen teilweise Schwierigkeiten haben, ihren Alltag, ihren Haushalt in der Weise zu organisieren, wie das, ich sag mal, gesellschaftlich als normal gilt.

01:26:05: Und sie hat dann praktisch festgestellt, dass sie ganz oft Menschen hat in ihrer Therapie, die sich selber total fertig machen und zerfleischen, weil sie zum Beispiel solche Alltagsabläufe wie ... Ich muss meine Wäsche waschen und legen und den Schrank räumen, nicht so gut hinkriegen und dann wochenlang aus dem Wäschekorb sich kleiden.

01:26:22: Und dann hat sie eben so gesagt, hey, wir müssen gerade in Sachen Haushalt zu einer gewissen moralischen Neutralität finden, zu sagen, mein Wert als Mensch, ob ich ein moralischer Mensch bin oder nicht, hängt nicht davon ab, ob und wie ich meine Wäsche verstauere oder ob ich meine Spülmaschine einmal in der Woche ... zehnmal laufen lassen oder jeden Tag einmal.

01:26:46: Es gibt einfach eine große Variante wie Menschen ticken, was für Menschen schwer und leicht ist.

01:26:50: Und unser Zuhause, unser Haushalt muss uns Menschen dienen, nicht umgekehrt.

01:26:55: Wir müssen nicht bestimmte arbitriere Standards erfüllen, um ein guter Mensch zu sein, sondern die Art und Weise, wie wir unseren Haushalt... machen, ist moralisch neutral.

01:27:05: Das war so Ihr Ansatz.

01:27:06: Und ich habe da was drüber gelesen und habe eben verstanden, das ist ein therapeutisches Tool, um Menschen zu entlasten, die bestimmte Erwartungen auf sich Lasten spüren, die sie kaum erfüllen können.

01:27:18: Und habe gedacht, dass wir eigentlich mega hilfreich diesen Gedanken auch auf Elternschaft zu übertragen und zu sagen, auch in unserer Elternschaft neigen wir dazu manchmal jede kleine Alltagsentscheidung mit einem immensen moralischen Ballast.

01:27:31: zu versehen.

01:27:32: Und das hat teilweise was mit ökologischen Ansprüchen zu tun.

01:27:35: Das hat teilweise was mit sozialen Ansprüchen in unserem Umfeld zu tun.

01:27:39: Das hat teilweise was mit Glaubenssätzen zu tun.

01:27:41: Aber ich erlebe das in meiner Arbeit sehr häufig, dass Eltern durch ihren Alter gehen mit einem Kind oder mehreren und wirklich das Gefühl haben, ob ich im Supermarkt stehe und versuche, eine Tomatensauce im Glas auszuwählen, oder ob ich die Entscheidung treffe, ob mein Kind jetzt noch eine Folge Bobo sieben Schläfer gucken darf, an allem Hengdgewicht, und ich hab die Ganzheitsgefühl, zu Scheitern zu versagen, ein schlechtes Elternteil zu sein.

01:28:05: Und dann hab ich quasi diesen Begriff der moralischen Neutralität mir so ein bisschen entlehnt und gesagt, hey, auch in eurem Alltag mit euren Kindern sind ganz viele Dinge moralisch neutral.

01:28:15: ihr nicht an jeder Entscheidung hängt die Last der ganzen Welt.

01:28:19: Das heißt nicht, dass es nicht sinnvoll ist, wenn ihr die Kapazitäten habt, bestimmte Konsumentscheidungen zu hinterfragen.

01:28:26: Es geht überhaupt nicht um so ein anything goes, alles ist egal.

01:28:30: Und es gibt ganz viele Dinge im Alltag mit gerade Kindern, die sind eben auch nicht moralisch neutral, also ob ich mein Kind anschreie und hart anpacke und beschimpfe und beschäme.

01:28:39: Da geht es sehr wohl gegen meine moralischen Werte.

01:28:42: Aber wenn ich sozusagen mit Maß und Mitte schaue, dass ich meinen Alltag entschlacke von moralisch höchst aufgeladenen Alltagsentscheidungen und ein bisschen stärker den Fokus darauf lege, was funktioniert jetzt gerade für uns und unsere Kinder?

01:28:58: Brauchen wir hier ein bisschen mehr Medienzeit?

01:28:59: Brauchen wir da vielleicht Tiefkühlpizza?

01:29:01: Brauchen wir hier ... Diese Freiheit?

01:29:03: brauchen wir hier jene Entspannung.

01:29:05: Dann darf das alles sein und dann darf das alles auch moralisch neutral sein.

01:29:10: Und dabei geht es nicht um ein Freibrief für die Extreme.

01:29:13: Es geht nie darum zu sagen, ja dann parkt doch dein Kind, die gesamte Kindheit von Fernseher oder servieren nie wieder was anderes als Tiefkühlpizza.

01:29:20: Sondern es geht darum, von diesen Absoluten wegzukommen.

01:29:24: Dein Familienleben dient dir.

01:29:26: Nicht du, deinem Familienleben, quasi diese Übertragung.

01:29:29: Und es gibt ganz, ganz viele Familien, die sagen, dass ihnen das sehr hilft.

01:29:35: Ich hab ganz viele Briefe dazu bekommen von Eltern, die wirklich teilweise Kleinigkeiten sich dadurch jetzt erlauben, die für sie einen großen Unterschied machen.

01:29:43: Und gleichzeitig gibt es leider, das bringt mich immer mal so zur Verzweiflung, immer wieder Menschen, die so ein bisschen Advocatos, Diabolifaktisch spielen und dann versuchen, dieses Prinzip so zu verdrehen.

01:29:54: dass dann quasi es keinen Sinn mehr ergibt im Sinne von, aber es ist nur objektiv nicht gesund, wenn Kinder ausschließlich tief Kühlkost essen oder so.

01:30:04: Und da ist es mir immer so wichtig zu sagen, ist es ein Handwerkszeug, ist es nicht die einzige Lebensmaxime, nach der Familien irgendwie in Alltagsorganisieren wollen.

01:30:13: Aber gerade Familien, die viel mit Perfektionismus zu tun haben, die viel damit zu tun haben, bestimmte Vorbilder zu sehen, denen das augenscheinlich alles leicht von der Hand ... und die sich dann in so eine Selbstverurteilung begeben und immer das Gefühl haben, egal, was sie tun, es ist nicht gut genug.

01:30:29: Denen kann dieser Ansatz der moralischen Neutralität sehr helfen, wieder ihre Prioritäten klarzukriegen und zu sagen, was ist wirklich moralisch wichtig für mich im Alltag?

01:30:39: Wo sollte meine Energie hingehen?

01:30:41: Und was darf mir zumindest temporär ein bisschen egaler sein, damit ich insgesamt funktionstfähig und bindungsstark und präsent bleiben

01:30:50: kann?

01:30:50: Also ... Das heißt, wenn man im Supermarkt steht und weiß, okay, ich muss heute das Abendessen machen.

01:30:57: Und ich habe aber heute überhaupt gar keine Zeit, weil noch der Elternabend ist oder Date Night mit meinem Mann oder meiner Frau ist.

01:31:03: Das ist dann wirklich vollkommen okay, ist zu sagen, okay, ich nehme hier dieses Pesto-Glas und fertig ist die Laube.

01:31:08: Ich muss da jetzt nicht irgendwie die, muss nicht noch zum Markt und jedes frisch und so weiter holen.

01:31:13: Natürlich ist das auch schön.

01:31:14: Und

01:31:14: ich muss nicht die Firmenhistorie recherchieren, ob ich jetzt möglicherweise irgendwas unterstütze, was problematisch ist, sondern ich darf einfach jetzt sagen, meine Kapazitäten reichen, jetzt ein Glas Pesto zu kaufen.

01:31:23: fertig.

01:31:24: Und wenn ich wieder mehr Kapazitäten habe, werde ich mich mit auch noch manche Dinge wieder tiefergehend kümmern.

01:31:30: Also im Moment ist so ein bisschen ein Phänomen zu spüren und ich kann das emotional so gut verstehen.

01:31:36: Ich habe selber ja meine Kinder zu Hause, wo praktisch gerade Eltern mit relativ jungen Kindern in der oft stressigsten Phase ihres Lebens die Verantwortung spüren, auch für diese Kinder, die sie großzüge, parallel auch gerne noch die Welt retten zu wollen.

01:31:50: Und dann hat man schnell das Gefühl, ich muss eben nicht nur schaffen, diese Kinder liebevoll zu begleiten, sondern ich muss auch noch unsere gesamte Ernährung umstellen und prüfen, dass ich da nicht irgendwas moralisch fragwürdiges unterstütze.

01:32:02: Und ich muss mein Verkehrsverhalten, meinen Konsumverhalten, ich muss meine Kinder davon abhalten, Wasser am Wasserhahn zu verschwenden, alles hekt mit allem zusammen.

01:32:09: Und da eine Perspektive zu finden, zu sagen, ja, ökologisches Bewusstsein ist wichtig und es ist nichts, was wir irgendwie, ja.

01:32:19: gering schätzen sollten, aber in der stressigsten Phase unseres Lebens müssen und dürfen wir Kompromisse eingehen, die unsere eigenen seelischen Gesundheit dienlich sind.

01:32:28: Und wir dürfen auch manche Weltrettungspläne noch um ein paar Jahre verschieben, bis wir auch zum Kröpsten raus sind, damit wir diese Phase hier gut überstehen.

01:32:37: Und wir dürfen auch manchmal ein bisschen für uns abwägen, welche Entscheidung hat wirklich wie viel Impact und welche ist nicht so schwerwiegend auf die gesamte Welt bezogen.

01:32:48: Das sind so ... Themen, die ich einfach auch auf meiner Arbeit sehe und wo ich mir einfach wünsche, da manchen Familien, die so sehr belastet sind davon, da einfach auch ein bisschen von diesem Gewicht auf ihren Schultern nehmen zu können.

01:33:04: Woher kommt dieser Druck?

01:33:06: Also dieses, also ich kenne das auch noch, dass man dann keine Ahnung, Holzspiezeug und so weiter und... Ja, natürlich fand er das Plastisch-Spielzeug wesentlich besser.

01:33:17: Und dann irgendwann haben wir auch aufgehört, weil er hat einfach nicht damit gespielt, wie das Spielzeug.

01:33:20: Und natürlich kennt man dann, okay, ist es natürlich klar, dass das Plastisch-Spielzeug dann auch noch mal verpackt ist in Plastik.

01:33:26: Und dann nochmal.

01:33:26: Und nochmal.

01:33:27: Man denkt, das ist ja Wahnsinn.

01:33:28: Das ist ja einmal komplett schlecht.

01:33:31: Aber wir haben dann auch immer losgelassen.

01:33:34: Aber woher kommt ... Ich hab auch das Gefühl jetzt bei jüngeren Eltern, das ist ungemein groß dieser Druck.

01:33:40: Also, alles irgendwie richtig zu machen.

01:33:42: Und da reden wir nicht nur, was das Kind betrifft, sondern auch, wie schnell ist man selbst wieder in der Arbeit?

01:33:48: Wie schnell ist man wieder?

01:33:49: Und dann müssen wir die Date-Night auch hinkriegen, die Beziehung.

01:33:52: Und zur Demopetition und so weiter.

01:33:54: Da müssen wir auch alles noch mit hinkriegen.

01:33:57: Also, woher kommt dieser Druck?

01:34:00: Das ist total vielschichtig.

01:34:02: Ich hab da ... sehr viel drüber nachgedacht in den letzten Jahren.

01:34:07: Ich habe schon das Gefühl, dass viele Eltern im Moment das Gefühl haben, wir ziehen Kinder groß, in der Zeit großer globaler Unsicherheiten und Krisen.

01:34:16: Wir sind Eltern in Zeiten der Klimakrise.

01:34:18: Wir sind Eltern in Zeiten, wo bestimmte gefühlte Verlässlichkeiten, was transatlantische Beziehungen und so was angeht, einfach nicht mehr gelten, wo wir Krieg ... in Europa haben, wo wir das Gefühl haben, bestimmte Unsicherheiten kommen uns näher.

01:34:33: Auf einmal wird hier wieder über Wehrpflicht gesprochen und so.

01:34:36: Und das schafft, glaube ich, ein ganz tiefes Gefühl von einer akuten Bedrohung und auch von einer Unsicherheit, wo dann Eltern oft das Gefühl haben, wir müssen da ... an allen fronten was dagegen setzen?

01:34:49: wir müssen die zukunft unserer kinder sichern was total nachvollziehbar ist und teilweise sorgt es aber dafür dass eltern wirklich globale komplexe krisen sich quasi auf ihre individuellen schultern laden und das gefühl haben so mit ihrem lastenrat und ihrem bio laden ein kauf das jetzt gut machen zu müssen.

01:35:08: und es gibt eltern für die bewirkt das dann eher so ein Gefühl von Selbstwirksamkeit im Sinne von immerhin mach ich was.

01:35:15: Und es gibt aber auch viele Eltern, die dann eben regelrecht zerbrechen unter diesem Druck gefühlt, nie genug zu tun.

01:35:22: Und dann kommen eben noch weitere Zuschreibungen und Glaubenssätze dazu.

01:35:25: Und ich glaube, je unsicherer wir uns in unserer Elternschaft erleben, desto empfänglicher sind wir oft für diese Illusion von Kontrolle, indem wir zumindest in einem kleinen Bereich alles richtig machen.

01:35:37: Also die ganze Welt ist unkontrollierbar.

01:35:39: Es gibt ganz viele abstrakte Gefahren, die wir uns fürchten.

01:35:43: Aber so lang unsere Kinder zumindest mit dem guten Holzspielzeug spielen, haben wir zumindest in einem Bereich was richtig gemacht.

01:35:50: Weißt du?

01:35:51: Und ich glaube, das ist mal mal so psychologischer Kompensationsmechanismus zu sagen.

01:35:54: Zumindest da ist dann die Welt noch in Ordnung.

01:35:58: Und das kann aber natürlich wahnsinnig viel Druck.

01:36:02: auch ausüben und in Familien tragen.

01:36:04: Und wir haben da alle unsere eigenen Prägungen und Glaubenssätze, die wir so mit uns rumtragen und die dann gerade in Zeiten, wo wir so ein bisschen wackelig dastehen, selber emotional.

01:36:14: Und wir sind ja alle in dieser Phase, wo unser Kind oder unsere Kinder klein sind, sowieso in so einer Neuorientierungsphase.

01:36:22: Ja, die sind dann da nochmal besonders wirkmächtig.

01:36:25: Du hast das Thema Medien angesprochen.

01:36:27: Ich selber bin zum Beispiel als Kind in einer nahezu fernsehfreien Umgebungen aufgewachsen.

01:36:35: Meine Eltern haben da viel Wert drauf gelegt, dass wir ganz viel draußen in der Natur spielen und dass wir nicht vor der Glotze sitzen oder wenn er nur ganz wenig.

01:36:46: Und ich bin damit auch aufgewachsen, durchaus auch mit so ein bisschen so einem bildemusbürgerlichen Duktus im Sinne von... die armen Kinder, die die ganze Zeit vor RTL II sitzen, die haben halt nicht so eine schöne Kindheit wie ihr, die irgendwie die ganzen wertvollen Sinneswahrnehmungen in echter authentischer Weise abbekommen.

01:37:07: Und ich war da ganz, ganz stark von geprägt und hätte sozusagen dir in der Schwangerschaft mit meinem ersten Kind Stein und Bein geschworen, dass mein Kind bis zum dritten Geburtstag nicht mehr wissen wird, dass Fernseher existieren, dass es nicht mehr wissen wird, dass es das gibt.

01:37:23: Das war ein richtig schwieriger Prozess für mich zu merken.

01:37:26: Ich halte das nicht durch.

01:37:28: Mein Kind hat total Interesse an Bildschirmen und findet das total spannend, wenn irgendwo selbst in einem Wartebereich an der U-Bahn oder so, irgendwo irgendwelche Bilder durchlaufen.

01:37:39: Und ich selbst als Mutter halte das auch nicht durch in meinem Alltag, nicht ab und zu mal eine kleine verlässliche Pause durch eine Folge von irgendeiner Kinder-Serie oder so zu bekommen.

01:37:49: Und ich bin da durch ganz, ganz ... schwierige emotionale Prozesse gegangen sind.

01:37:53: Von bin ich eine schlechte Mutter, wenn ich nicht immer eine andere Lösung finde, Entlastung zu finden als Sendung mit dem Elefanten anzumachen oder so.

01:38:04: Und mittlerweile habe ich da, glaube ich, für mich und für uns und unsere Kinder mit meinem Mann zusammen einen guten Weg gefunden.

01:38:10: Aber ich erlebe immer noch, dass ich nicht frei bin von der gewissen Scham in Bezug auf den Medienkonsum meiner Kinder.

01:38:19: als neulich ein zu meiner Kinder so ein Freundebuch ausgefüllt hat und dann bei Hobbys hingeschrieben hat.

01:38:24: Fernsehen, hätte ich das am liebsten ausreden.

01:38:27: Du magst doch so viele andere Dinge, weil ich sofort dachte, oh Gott, was denken die Leute, wenn sie das sehen?

01:38:33: Und dann auch noch von dir.

01:38:34: Ja,

01:38:34: das ist mein Kind.

01:38:36: Genau, als Hobby, als allererste Stelle Fernsehen hinschreiben.

01:38:41: Ja, das ist, kannst du wenigstens vielleicht den Nachnamen ändern?

01:38:47: Ja, aber finde ich gut, dass du da Dass du das so ab... Also, du konntest noch nicht ablehnen, das könntest ich dir heran.

01:38:54: Nee, aber also, es ist ein Prozess.

01:38:56: Und ich hab jetzt zum Beispiel ganz bewusst in meinen Büchern immer wieder ganz nebenbei erwähnt an verschiedenen Stellen, du hast ja was von mir gelächter gemacht, gelesen.

01:39:05: So eine Selbstverständlichkeit im Sinne von, erzähle ich dann mal so, ja, und mein Sohn hat dann da gerade gezockt oder mein Kind hat da gerade fern gesehen oder so.

01:39:12: Und ich lasse das so einfließen, ohne das überzubetonen, aber einfach als... eine Normalität in unserem Alltag.

01:39:20: Und es ist interessant, wie viele Menschen genau darauf aufspringen und mir dann wirklich auch eben schreiben und sagen, dass es so entlasten zu lesen, dass in deinem Buch... wenn du sozusagen von euren ganz normalen Alltagsaktivitäten erzählst, immer wieder auch der Konsum von Bildschirminien einfach als selbstverständlicher Teil des ganzen Vorkommens.

01:39:37: Nicht als alleinige Beschäftigung, nicht als etwas, was man mit drei Seiten Rechtfertigung versehen muss, sondern du erzählst mit der gleichen Selbstverständlichkeit, dass deine Tochter gerne Freundschaftsabänder knüpft, wie du erzählst, dass dein Sohn gerne zockt.

01:39:51: Und das ist einfach normal und muss nicht begründet, erklärt.

01:39:57: gerechtfertigt werden, sondern das ist einfach ein Teil des Ganzen.

01:40:00: Und das ist kein Zufall, dass ich das so mache, sondern das mache ich ganz aktiv, um Familien auch zu entlasten.

01:40:07: Und es ist gleichzeitig krass, wie in Deutschland im Jahr-Zw.

01:40:10: und-Zw.,

01:40:10: wo wir alle gefühlt mit unseren Smartphones verwachsen sind.

01:40:14: Trotzdem eben sehr viele Eltern sagen, das lese ich sonst nirgends.

01:40:17: Sondern es ist eigentlich kaum verbreitet, dass gerade Menschen, die so in pädagogischen Diskursen unterwegs sind, mit einer großen Selbstverständlichkeit davon sprechen, dass natürlich auch ihre Kinder Bitschermedien konsumieren.

01:40:33: Egal jetzt mal, in welcher Form.

01:40:35: Ja.

01:40:36: Es geht ja ganz viel eben auch um Entlastung und nicht Perfektion.

01:40:41: Und du hast das am Anfang, würde ich sagen, ist das auch noch am Anfang?

01:40:45: von was Familie leichter macht geht's um Burnout.

01:40:47: und da gab's ne meine ich eine Forsa umfrage von aus zwei tausend vierundzwanzig das siebzig prozent aller Eltern mit unter ausgebrannt und erschöpft sind also eben Richtung Burnout.

01:40:59: Lauf und du schreibst an einer stelle gestresste Eltern können keine guten Eltern sein und ganz schönes Bild fand ich viel erleben ihr Leben als Spannbett lagen über zu große Matratze.

01:41:09: irgendwas kommt immer zu kurz.

01:41:12: Wie schafft man es in solcher, also irgendwann merkt man ja, das ist okay, dieses Bett lagen ist zu kurz.

01:41:18: Es haut nicht hin.

01:41:19: Es haut einfach nicht hin.

01:41:20: und wir haben jetzt auch schon so viel versucht und eigentlich, ich kann auch gar nicht mehr loslaufen, um Neues zu kaufen und hier fällt eigentlich gerade alles auseinander.

01:41:30: Wie kann man sich, wie kommt man zur Besinnung?

01:41:35: Also so, ne?

01:41:36: Also zu sagen, es gibt ja dann immer auch diese Extremfälle, ja gut, dann halt jetzt alles Pizza und Herdensehen, sollen sie doch alle machen.

01:41:45: Wie findet man da so zurück zu sich und auch wieder zur Kraft?

01:41:48: Das ist die große Frage, ne?

01:41:51: Ja, tatsächlich ist das sehr erschreckend, wie die Zahl Burnout betroffener.

01:41:55: Eltern von Jahr zu Jahr zugenommen hat.

01:41:58: Also auch das Genesungswerk erhebt da so Zahlen und die steigen wirklich seit Jahren.

01:42:02: Die sind auch während der Corona-Pandemie gestiegen.

01:42:04: Das kann man sich gut vorstellen.

01:42:05: Aber sie sind auch danach nicht mehr runtergegangen.

01:42:09: Und ein Element ist sicherlich, dass Eltern heute, und das ist was Positives, stärker auch über ihre Belastungen sprechen, dass es ein weniger Stigma gibt, dass Eltern auch sagen, ich fühl mich ausgebrannt, ich fühl mich überfordert.

01:42:20: Es gab auch in den fünftiger, sechziger, siebziger Jahren viele überforderte Eltern, die einfach das Gefühl hatten, das kann ich gar nicht zugeben, nicht mal mehr vor mir selbst.

01:42:29: Und trotzdem ändert das natürlich nichts daran, dass viele Eltern in einer krassen Überlastungssituation sind.

01:42:36: Das hat teilweise mit ganz... Strukturellen Dingen zu tun, dass einfach immer mehr Familien auch mit steigenden Lebenshaltungskosten das Gefühl an beide Eltern müssen, erwerbstätig sein, auch viel erwerbstätig sein.

01:42:50: Und erleben eine immer stärkere Verdichtung von Anforderungen auch in ihrer Berufstätigkeit.

01:42:55: Also der Beruf strahlt immer mehr ins Familienleben aus, man kriegt dann doch noch eine E-Mail abends aufs Handy und so weiter.

01:43:03: Und gleichzeitig ist der Anspruch den Eltern auch an sich und ihre Elternschaft haben gestiegen.

01:43:08: Es geht eben nicht nur darum, wir geben dem Kind ein Dach über einen Kopf und ein Bett und was zu essen, sondern wir wollen auch emotional verfügbar und präsent und da sein.

01:43:16: Und dann wollen wir eine Paarbeziehung führen.

01:43:17: Dann ist der Druck in Bezug auf Körper und Schönheit in den letzten Jahren gesamtgesellschaftlich nochmal wieder sehr gestiegen.

01:43:27: Auch durch die Präsenz sozialer Medienleutesgefühl haben.

01:43:30: sie müssen auch... präsentabel sein, sozusagen.

01:43:33: Und auch da es gibt immer mehr Mütter, die Schönheitsoperationen durchführen lassen, auch weil sie da einen gewissen Performance-Druck spüren.

01:43:41: Also das ist ein ganz, ganz vielschichtiges Ding.

01:43:44: Und natürlich können dann auch ideologisch aufgeladene Erziehungsideale einen weiteren Stressfaktor darstellen.

01:43:55: Wenn ich dann in so Dokumen drin hänge, wie ich darf nie einen Wendansatz sagen, ich darf niemals laut werden, ich darf niemals schimpfen, ich darf niemals die Nerven verlieren.

01:44:05: So, ich muss immer geduldig sein.

01:44:07: Dann hab ich auch als Elternteil manchmal das Gefühl, ich kann nur scheitern an meinem Alltag.

01:44:12: Und wenn dann diese ganzen Belastungsfaktoren zusammenkommen, dann ist es irgendwann in der Summe zu viel.

01:44:19: Besonders betroffen davon sind nach wie vor Mütter, weil die einfach immer noch ... Groh der Kehrarbeit in den meisten Familien tragen.

01:44:28: Und dann ist die Frage, wie finden wir da raus?

01:44:33: Und wie immer bei so multifaktoriellen Geschehen ist es halt schwierig zu sagen, wir finden jetzt den einen Punkt und nur den müssen wir ändern.

01:44:42: Es ist oft so, dass es wichtig ist, in so einem Moment der akuten Überlastung erst mal anzuerkennen.

01:44:47: Es ist jetzt gerade so viel und wirklich ganz radikal zu schauen, was können wir erst mal ... Ausmisten, wo können wir Druck rausnehmen aus unserem Familiensystem, um erst mal wieder an den Punkt zu kommen, durchatmen zu können, um dann langfristig Strategien zu finden.

01:45:01: Also wir brauchen erst mal eine Akute.

01:45:04: Entlastung, um wieder atmen zu können.

01:45:06: Und dann müssen wir lang und mittelfristig schauen, wie kriegen wir unser Familiensystem auf stabilere Füße gestellt.

01:45:12: Und das kann durchaus schmerzhafte Entscheidungen bedeuten, weil es eben auch so diesen Satz, you can't have it all, letztlich beinhalten kann, zu merken.

01:45:21: Das, was wir uns vorgestellt haben, Berufstätigkeit, Hobbys der Kinder, Wohnsituation, Großeltern, wie wir das alles so hinkriegen wollen, das schaffen wir nicht mehr.

01:45:30: Und dann kann das eben auch bedeuten zu sagen ... Vielleicht müssen wir entscheiden, dass der Anspruch, den wir hatten, unseren Kindern so und so viele Hobbys zu ermöglichen, für uns gerade in der Form nicht mehr zu bewerkstelligen ist.

01:45:45: Oder dass wir beruflich kürzer treten müssen.

01:45:48: Oder dass wir vielleicht auf zu großem Fuße finanziell leben für das, was wir aktuell verdienen können.

01:45:54: Dass wir in einen Einschnitt vornehmen müssen, dass wir einfach unsere Lebenshaltungskosten senken, um wieder ... ne?

01:46:02: über Wasser zu kommen.

01:46:03: Oder wir müssen schauen, ob wir uns zu sehr zerreiben in den Anforderungen im Außen, dass wir immer noch das Gefühl haben, wir müssen noch die Erwartungen von Großeltern und Frewanten, sonstigen Leuten erfüllen.

01:46:15: Vielleicht müssen wir tatsächlich auch sagen, die Sonntagskaffee trinken bei euch, die schaffen wir nicht mehr.

01:46:19: Das ist die einzige Zeit, wo wir als Familie zurückkommen können.

01:46:23: Aber ihr könnt gerne mit Wochennachmittags die Kinder von der Kita abholen, während wir nicht da sind und die ein bisschen bespaßen.

01:46:28: Das würde uns helfen.

01:46:31: Es gibt da keine Patentrezepte, weil Familien so verschieden sind, aber der langfristige Weg aus Burnoutzuständen führt über akute Entlastung, radikale Akzeptanz, dass es so nicht weitergehen kann.

01:46:47: Und dann Arbeit im Innen- und im Außen.

01:46:49: Und das Außen kann eben bedeuten, wo können wir strukturell in unserem Familienleben Entlastung schaffen und dabei auch schauen, Vielleicht müssen wir gegen bestimmte Glaubenssätze an, auch Dinge verändern.

01:47:01: Und gleichzeitig auch diese Arbeit im Innenen.

01:47:03: Wie können wir rauskommen aus diesem Permanenten, sich nicht gut genug fühlen, Schuldgefühle haben, einander als Eltern nicht mehr als

01:47:11: Teampartner

01:47:12: ansehen, sondern so in so einem permanenten Dauerstreit sein.

01:47:15: Du hast mehr Belastung, ich hab mehr Belastung, du hast es härter, ich hab es härter.

01:47:17: Und das ist manchmal schwer.

01:47:20: Und also ich erlebe zum Beispiel ganz konkret bei vielen Familien ... Gerade auch im ländlichen Raum immer noch diesen Glaubenssatz, dass es wichtig ist, Kinder möglichst wenig in, in Anführungszeichen, Fremdbetreuung zu haben.

01:47:33: Das heißt, ganz viele Eltern buchen Kita-Plätze für ihre Kinder, die exakt ihre Arbeitszeit abdecken, aber auch keine Minute mehr.

01:47:43: Das heißt, Mütter meistens.

01:47:45: Flitzen morgens zur Kita, flitzen ins Büro, arbeiten, flitzen wieder zur Kita, kommen nach Hause, haben dazwischen nichts gegessen, nichts getrunken, keine Pause gehabt, um das Kind bloß nicht länger als nötig in den Händen von Fremden zu lassen.

01:47:58: Und dann, ne, ich hab die Anführungszeichen gemacht.

01:48:02: Und da dann zum Beispiel auch mal hinzuschauen und zu sagen, vielleicht wäre es für unser gesamtes Familiensystem ganz gut, diese Betreuungszeit etwas auszuweiten, damit ich ... eine Stunde für mich habe, bevor ich mein Kind abhol aus der Kita.

01:48:17: Das hört sich, glaube ich, für viele Eltern in Berlin nach.

01:48:19: Ja, das ist doch selbstverständlich an, aber für viele Eltern in Bayern oder bei einem Wirtmeck auf dem Land nach einem ziemlichen Tabu-Bruch, weil da tatsächlich

01:48:26: ... Nein, in Berlin ist es auch so, würde ich sagen.

01:48:28: Ja, auf jeden Fall.

01:48:29: Das kenne ich auch.

01:48:30: Ich muss schnell zur Kita.

01:48:32: Das Kind darf jetzt ... Nicht

01:48:34: länger als nötig.

01:48:34: Nicht länger als nötig.

01:48:35: Genau, aber dass man sich erlaubt zu sagen, das kann doch ... Du hast jetzt eine Stunde Zeit, dann ... Leg dich noch mal hin.

01:48:41: Ja,

01:48:42: genau.

01:48:44: Das ist ein Faktor von vielen.

01:48:46: Aber wenn ich mit Müttern darüber spreche zu sagen, du darfst auch, wenn du vier Tage die Woche arbeitest, dann fünf Tage die Woche Nikita bringen und den einen Tag auch einfach nutzen, um Kraft zu tanken.

01:48:57: Ja, aber da arbeite ich doch nicht.

01:48:59: Also, da ist dann ganz oft dieses Gefühl, dann ist das quasi moralisch nicht okay, mich nicht selbst.

01:49:05: um mein Kind zu kümmern, wenn ich nicht einen richtig guten Grund habe, nämlich Geld verdienen.

01:49:09: Und das sozusagen ist auch ein richtig guter Grund ist.

01:49:12: sich auszuruhen, sich gut um sich selbst zu kümmern, wieder Kraft zu tanken für den Alltag.

01:49:16: Das können manchmal Ansatzpunkte sein, wo natürlich auch eine Entlastung herkommen kann.

01:49:22: Und gleichzeitig ist es nicht so, dass es da eine Lösung gibt, die für alle passt.

01:49:27: Also für manche Familien ist auch die Lösung, Betreuungszeiten runterzufahren und zu merken, wir haben als Familie so ein bisschen die Verbindung verloren.

01:49:34: Jeder ist den ganzen Tag von morgens bis abends an einem völlig anderen Ort.

01:49:37: Wir müssen echt schauen, dass wir sowohl was Arbeit als auch was Betreuungszeiten angeht, gerade mal ein bisschen zurückfahren, um einfach wieder ein bisschen mehr miteinander Familienleben zu spüren, Verbindung zu spüren.

01:49:51: Ich wünschte es gäbe den ultimativen Lösungsansatz.

01:49:56: Und was ich natürlich auch beobachte und was einfach eine Tatsache ist, über die wir oft so ein bisschen hinwegsehen, wenn wir so nach individuellen Lösungen schauen, ist, es gibt da eine ganz krasse strukturelle Ebene, auch von Diskriminierung von Familien, die finanziell nicht die Mittel haben, sich Entlastungsmöglichkeiten einzukaufen.

01:50:14: Ich kenne einfach ... Also ich sehe einfach in meiner Arbeit immer wieder diese Schere von Familien in Überlastungssituationen, die dann die Ressourcen haben zu sagen, okay, wir stellen uns erst mal eine Reinigungshilfe ein und dann fahren wir mal einen Kinderhotel und entspannen ein bisschen und dann bestellen wir uns so eine Kochkiste und also die dann einfach über ... eingekaufte Dienstleistungen und Entlastungsmöglichkeiten wieder versuchen, auf die Beine zu kommen.

01:50:38: Und für Familien, die natürlich diese Ressourcen nicht haben, die weniger Platz haben, die weniger soziales Netz haben oder Rassismus-Erfahrung noch on top of everything so haben, die haben eben auf diese Möglichkeiten nicht.

01:50:52: Und da ist es dann auch oft so, dass solche burnoutartigen Zustände sich viel, viel schwerer überwinden lassen, weil die Rahmenbedingungen einfach viel weniger Entlastung hergeben.

01:51:03: Was ich beobachtet habe, ist diese natürlich auch Social-Media-Darstellung.

01:51:11: Also, ob das Väter oder Mütter sind, das sehe ich in den beiden.

01:51:17: Und manchmal bekennt man dann die eine oder andere Person und was ich immer wieder feststellt ist, es ist nie so.

01:51:25: Es ist nie so, wie es da aussieht.

01:51:27: Und selbst diejenigen, die sagen, die das komplette Gegenteil darstellen, das gibt es ja auch dann schon.

01:51:32: Ja, so bewusst.

01:51:33: Bewusstes, regretting, macht der Hut schon in die Abteilung.

01:51:36: Auch da ist es nie so.

01:51:37: Es ist immer nur ein Teil davon.

01:51:38: Und ich merke, dass es da, also gerade in diesem Arbeitsbereich, diesen schnell wieder an die Arbeit kommen, schnell wieder das Projekt und das und das und so weiter hinkriegen, man kriegt es nicht hin.

01:51:52: Also das ist, glaube ich, da auch ein falsches Bild, was da immer wieder nicht unbedingt mit Absicht gezeigt wird, sondern was sich irgendwie aufgrund von Social Media einfach so auch ergibt, würde

01:52:01: ich sagen.

01:52:02: Ja, also das würde ich auch sagen, also ich bin ja selber auch auf Social Media aktiv und bemühe mich da wirklich sehr darum, wie man immer so schön sagt, ein authentisches Social Media-Leben zu präsentieren, wo nicht alles eitel Sonnenschein ist und trotzdem gibt es natürlich jede Menge Einschränkungen.

01:52:20: Man will die Privatsphäre der Kinder schützen.

01:52:22: Man will auch nicht alles im Detail in der Öffentlichkeit auserzählen.

01:52:26: Und ich merke aber so sehr ich mich auch darum der Ausgewogenheit bemühe.

01:52:31: Das Bild entsteht eben auch immer im Auge des Betrachters.

01:52:33: Und Menschen legen ihre eigenen Projektionen und Zuschreibungen rein in diese wenigen Ausschnitte im Tag eines anderen Menschen, die sie da so sehen.

01:52:41: Und haben dann immer wieder Zuschreibungen und sagen, Die macht das besser als wir.

01:52:47: Oder so ist es wahnsinnig schwer, nicht in diese Ausschnitthaftigkeit von Social Media eine Projektionsfläche zu bieten, dafür, dass andere Menschen die Selbstabwertung gehen können und sagen können, bei mir läuft es ja schon mal schlechter als dort.

01:53:02: Und ich hadere da auch manchmal damit und frage mich, ob überhaupt diese Präsenzen in den sozialen Medien ... hilfreich ist, um Eltern schafft, leichter zu machen.

01:53:12: Das ist ja mein Anspruch, warum ich das alles mache.

01:53:15: Und gleichzeitig glaube ich trotzdem, dass es das braucht, wenn es soziale Medien gibt und junge Eltern halten sich da auf und junge Mütter haben mittlerweile Instagram und TikTok als Informationsquelle Nummer eins für sich identifiziert, da dann eben auch präsent zu sein und inhaltlich aufzuklären und Impulse zu geben, zur Entlastung, zur Selbstfürsorge.

01:53:38: Aber ja, das ist ein schmaler

01:53:39: Grad.

01:53:41: Was ist die Energieampel?

01:53:43: Ach, die Energieampel, das ist auch nicht eine persönliche Erfindung, sondern das ist eigentlich ein Konzept, das schon ganz lange in unterschiedlichen therapeutischen Kontexten in Abwandlungen verwendet wird und das im Prinzip einfach ein Sinnbild dafür ist.

01:53:59: Wo stehe ich gerade, was meine Kraft und was meine Ressourcen angeht?

01:54:03: Und in meinem Buch Bindung ohne Burnout habe ich das so ein bisschen aufgeführt, dass ich Eltern dazu einlade, in ihrem Alltag, jeden Tag, immer mal so zwischendurch zu checken.

01:54:13: Wo steht gerade quasi meine Energieampel?

01:54:16: Wie stehe ich in meiner Kraft?

01:54:18: Und wirklich, da geht das gar nicht um exakte Prozente oder so, oder um irgendwelche ausgefeilten Fragebögen, sondern es geht wirklich um so ein Bauchgefühl.

01:54:25: Bin ich im grünen Bereich?

01:54:27: Also stehe ich wirklich voll in meiner Kraft?

01:54:29: Habe ich wirklich Ressourcen für diesen Tag?

01:54:32: Bin ich so im gelb-orangenen Bereich?

01:54:34: Da muss ich ja echt aufpassen.

01:54:35: Und da bin ich im roten oder gar dunkelroten Bereich, wo ich wirklich im Prinzip jetzt schon spüre, ich bin völlig an meinem Limit.

01:54:43: diese Einladung nach innen zu schauen, wo stehe ich, soll einfach Eltern dabei helfen, überhaupt wieder wahrzunehmen.

01:54:53: Wie geht es mir eigentlich?

01:54:54: Ich muss nicht nur funktionieren, ich muss auch verstehen, wo stehe ich im Familienleben?

01:55:00: und dann... kann ich auch ein bisschen den Ablauf des Tages anpassen an meinen aktuellen Ressourcenstand.

01:55:06: Das heißt, ich sage dann eben auch Eltern, wenn ihr morgens um zehn merkt, ich bin im Dunkelorangenen Bereich, dann schaut wirklich in dem Moment.

01:55:16: Was kann heute an Entlastung her in Bezug auf Alltagsgestaltung, in Bezug auf Essen, egal was?

01:55:21: Weil ihr lauft sozusagen sehenden Auges in genau die Situation, die ihr nachher im Bett liegend bereuen werdet, wenn ihr jetzt einfach bei eurem feststehenden Plan bleibt.

01:55:33: Also wenn ihr im dunkelroten Bereich seid morgens um zehn und ihr sagt, wir müssen trotzdem zur Musikschule, zum Spielplatz, dann muss ich noch frisch kochen und so, dann ist es vorprogrammiert, dass ihr eskaliert, wenn die Kinder beim Zähneputzen Quatsch machen.

01:55:46: Und wenn ihr erkennt, meine Ressourcen geben das gerade nicht her und ihr schafft es dann in so eine Sanftheit mit euch selbst zu finden und zu sagen, heute ist glaube ich so ein Tag für ein Disney Film und Kakao für uns alle vom Fernseher, wo wir alle ein bisschen durchatmen können und wir sagen vielleicht eine Farbredung ab oder wir gehen heute mal nicht zum Sport oder irgendwas.

01:56:06: dann könnt ihr euch und euer Nervensystem so weit regulieren, dass ihr einfach noch durch den Tag und durch den Abend kommt, ohne auszuflippen, ohne nachher die Eltern zu sein, die ihr nicht sein wollt.

01:56:19: Und das war, als ich das niedergeschrieben habe, so ein Thema.

01:56:25: was mir wichtig war und wo ich gleichzeitig beim schreiben so ein bisschen dachte, ist das nicht fast bisschen banal?

01:56:31: Ist das nicht etwas so selbstverständlich, dass man halt seinen Alltag an seine Ressourcen anpacken muss?

01:56:36: Also ich habe wirklich so mit mir gehadet, ob ich das überhaupt reinschreiben soll.

01:56:40: Und dann war die Resonanz so überwältigend und mir haben wieder so viele Menschen geschrieben und gesagt vielen Dank für dieses total simple Tool, mit dem ich wieder in Kontakt komme.

01:56:49: Ich finde das total gut auch.

01:56:53: für diese ganz glasklare Anleitung zu sagen, wenn so, dann so.

01:56:57: Also, wenn du spürst, es geht nicht mehr, ändere was.

01:57:00: Und zwar an dem Tag in deinem Alltag, mach es dir leichter, damit es unter dem Strich euch allen wieder gut gehen kann.

01:57:06: Ja, das ist die Energieampel.

01:57:09: Wie macht ihr das?

01:57:10: Oder eine Crop-Schnitt?

01:57:11: hier noch eine Sache.

01:57:13: Was ich super fand, dass du geschrieben hast, dass du selber, also wir kommen gleich dazu, wie ihr das organisiert, Du arbeitest ja auch recht viel, würde ich behaupten.

01:57:23: Also jedes Jahr ein Buch.

01:57:24: Ich habe erst Chechi BT gefragt, wie viele Bücher hast du geschrieben?

01:57:27: und Chechi BT hat gerade circa siebenundzwanzig.

01:57:31: Ganz genau.

01:57:32: Wusstest du das auch nicht?

01:57:35: Dass du auch möchtest, dass deine Kinder dich... auf dem Sofa liegen, sehen und entspannt liegen, sehen.

01:57:42: Ich habe das zum Beispiel komplett andersrum.

01:57:44: Ich zeige, ich mache meistens die Steuererklärung zu Hause, damit unser Sohn sieht, dass was der Typ da macht, ist nicht nur Spaß, wenn wir nur mit irgendwelchen coolen Leuten sprechen, sondern der hat auch irgendwie total einen Nerven mit irgendwelchen Zeug.

01:57:56: Also ich mache sozusagen, aber warum war es dir wichtig, dass deine Kinder das sehen?

01:58:02: Ich hatte mal so eine Studie gelesen, die zitiere ich auch in Bindung und in Burnout.

01:58:06: Da ging es spezifisch darum, dass Töchter oft ihr Freizeitverhalten sich intuitiv von ihren Müttern abschauen und das sozusagen junge Frauen, die ihre Mütter eigentlich immer nur in Aktionen gesehen haben, immer nur am Kochen und Putzen und Machen und Tun, oft ... große Schuldgefühle beschreiben, wenn sie als Erwachsene Pausen machen, weil sie quasi kein Rollenvorbild dafür hatten, zu sehen, auch Mütter müssen ausruhen.

01:58:36: Und das hat mich total beschäftigt und ich hab gedacht, krass, und ich dachte, das gilt sicher für die Jungs genauso, dass die auch sehen müssen, auch Mütter brauchen Pausen einmal in Hinblick auf sich selbst, aber auch in Hinblick auf, vielleicht, potenzielle Partnerinnen, dass da nicht so ein Bild entsteht im Sinne von ... Frauen macht das nichts aus, die Rödel von morgens bis abends, das ist deren Berufung oder was.

01:58:59: Und meine Kinder sehen sowohl meinen Mann als auch mich natürlich viel machen und die sehen uns auch Steuerunterlagen sortieren und die kriegen ja mit, dass wir reisen und arbeiten und bei mir kriegen die mit, dass ich auch noch abends arbeiten muss, weil ich ja viele Vorträge halte und so.

01:59:17: Und gerade weil sie das mitkriegen, ist es mir eben auch wichtig, dass sie sozusagen den anderen Part mitkriegen, dass sie mitkriegen, dass ich Pausen brauche, dass ich an manchen Tagen einen Mittagsschlaf brauche, um durch den Tag zu kommen.

01:59:32: Dass sie mitbekommen, dass meine Arbeit, in die ich sehr, sehr viel Kraft stecke, nur dann nachhaltig für mich zu machen ist, wenn ich auch in mich und in meine Generation Zeit und Kraft investiere.

01:59:47: Ich benenne das meinen Kindern gegenüber auch wirklich so, dass ich dann auch manchmal sage, die letzten zwei Tage habe ich viel gearbeitet.

01:59:55: Heute merke ich, brauche ich ganz viel Ruhe oder brauche ich ganz viel Erholung.

02:00:00: Und was ich ganz schön finde, ist, dass ich wirklich das Gefühl habe, dass unsere Kinder das dann auch für sich mitnehmen.

02:00:07: das eben auch so benennen zu können.

02:00:09: Also, dass die dann eben auch manchmal sagen, heute war ein stressiger Tag, jetzt muss ich mich erst mal ein bisschen ausruhen oder so, dass die dann manchmal sehr spezifisch auch sagen, wie sie sich ausruhen müssen.

02:00:17: Es ist mir auch wichtig, dass ausruhen nicht nur bedeuten kann, auf der Couch liegen zu sein, dass ausruhen auch bedeuten kann.

02:00:22: Ich möchte mich bewegen oder ich möchte mich mit Leuten treffen oder ich habe einen Bedürfnis danach, ein Kuchen zu backen oder was auch immer.

02:00:32: Ja, das finde ich wichtig.

02:00:34: Und ich kenne einfach richtig, richtig viele Frauen, richtig viele Mütter auch in meinem persönlichen Umfeld, die sagen, sie haben ein ganz großes Problem, damit sich eigentlich permanent faul zu fühlen, wenn sie nicht am Machen sind.

02:00:47: Also sie haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich hinsetzen und einen Moment ausruhen.

02:00:52: Wenn doch nicht alles erledigt ist.

02:00:54: Und es ist ja nie alles erledigt, also haben sie immer ein schlechtes Gewissen, wenn sie ausruhen.

02:00:58: Und da so einen Gegenpunkt zu setzen, auch ganz bewusst.

02:01:02: Mein Mann und ich haben für uns so eine Regel, kann man so sagen, dass wenn unsere Kinder abends im Bett sind, das dauert eine Walle bis die schlafen, wir freuen Kinder, dass wir danach uns bemühen, eigentlich nichts mehr im Haushalt zu machen, sondern wirklich sagen, was wir bis dahin nicht geschafft haben, kann auch am nächsten Tag noch passieren.

02:01:21: Natürlich gibt es Ausnahmen, ab und zu mal muss man noch eine Wäsche aufhängen oder so, aber so grundsätzlich ist unser Ding zu sagen, wenn die dann irgendwann schlafen, beginnt unsere Zeit.

02:01:31: Wir setzen uns aufs Sofa, wir unterhalten uns, wir erzählen uns vom Tag.

02:01:34: Und dann gehen wir selbst ins Bett.

02:01:37: Und wenn wir da noch anderthalb Stunden aufräumen würden, dann wäre keine Zeit mehr für uns als Paar übrig.

02:01:41: Und das führt ab und zu mal dazu, dass dann wirklich abends einer unserer Teenager abends noch mal ins Wohnzimmer kommt.

02:01:48: Und es sieht wirklich aus wie Bombe.

02:01:49: Die jüngeren Kinder haben irgendein Zoo aufgebaut.

02:01:52: Alles ist komplett voller Kuscheltiere und Kisten und Zeug.

02:01:56: Und dazwischen sitzen mein Mann und ich auf dem Sofa und unterhalten uns.

02:02:00: Und dann kommen die immer mal so rein und sagen, dass ihr euch so entspannen könnt.

02:02:04: Und da dann auch zu sagen, ja klar, wäre das jetzt noch schöner, wenn das jetzt aufgeräumt wäre, aber unsere Priorität legt jetzt gerade bei uns und bei der Verbindung und nicht beim Haushalt machen.

02:02:15: Das finde ich wichtig, dann auch das zu zeigen.

02:02:20: Du hast das gerade schon gesagt, dass du das im Grunde für deine Töchter gemacht hast, weil du das in dieser

02:02:26: Studie gelesen hast.

02:02:29: Erzieht ihr eure Kinder, du hast zwei Söhne, zwei Töchter.

02:02:33: Erzieht ihr die anders?

02:02:35: Also achtest du, darauf achtest du bei den Mädchen, bei den Töchtern, worauf achtest du bei den Jungs?

02:02:43: oder ihr oder vielleicht auch dein Mann?

02:02:47: Wir versuchen, glaube ich, da möglichst wenig Unterschiede zu machen und zu sagen, wir bemühen uns als Eltern insgesamt einfach eine moderne, gleichberechtigte Partnerschaft vorzuleben.

02:03:04: und in unserer Familie ist es wirklich so, das hat auch natürlich was mit der Praktikabilität unserer Jobs zu tun, dass es sozusagen Alltag ist für unsere Kinder, uns Eltern, sowohl mein Mann als auch mich, in, ich sag mal, allen Rollen zu erleben.

02:03:18: Also ist es relativ häufig der Fall, dass ich mal für eine Woche verreist bin und dann macht mein Mann alles und es gibt relativ häufig jeden Fall, dass mein Mann verreist und mach ich alles.

02:03:27: Also es gibt nicht solche Konzepte im Sinne von, ich hab meinen Vater noch nie Müll rausbringen, Wäsche waschen, Kochen gesehen oder so.

02:03:34: Das ist bei uns alles sehr perioditisch verteilt.

02:03:36: Und gleichzeitig ist es natürlich so, dass darunter liegend es natürlich Geschlechterrollen gibt, die man vorlebt, ob man will oder nicht.

02:03:45: Und dass unsere Kinder sich da auch unterschiedliche Dinge abschauen.

02:03:49: Und ich merke, dass ich immer wieder gegensteuern muss bei mir selbst.

02:03:56: im Umgang mit meinen Kindern in so viel schlechter Klischees zu denken.

02:04:00: Also es ist zum Beispiel so, dass unsere Teenager ... Relativ wenig, ich sag mal so für Sorge, Verantwortung für die jüngeren Geschwister tragen müssen, weil mir das auch wichtig ist, zu sagen, wir haben uns ja dafür entschieden, weiterzumachen mit dem Kinder zu kriegen.

02:04:13: Das ist ja nicht die Aufgabe von Jugendlichen, dann jetzt permanent zu Babysitten oder so.

02:04:18: Aber natürlich kommt es in unserem Familienalltag zu Situationen, wo mal mein Mann und ich beide parallelen Abendtermin haben und wo wir dann sagen, es wäre schön, wenn jemand von euch ... die Kleinen ins Bett bringen würde.

02:04:28: Und dann hatte ich zum Beispiel sehr, sehr häufig intuitiv den Impuls, meine älteste Tochter zu fragen und nicht so sehr ihren zwei Jahre jüngeren Bruder.

02:04:37: Weil man so dieses innere Bild, die große Schwester bringt die Kinder ins Bett, manchmal eher im Kopf hat als der große Bruder kümmert sich um die Kinder.

02:04:45: Und da dann zu sagen, da gehe ich ganz bewusst dagegen und frag wirklich auch regelmäßig, unseren Sohn.

02:04:54: Ich weiß, du würdest heute Abend gern Fortnite zocken, aber könntest du

02:04:56: heute deine

02:04:57: Geschwister ins Bett bringen.

02:05:00: Das Risiko ist größer.

02:05:02: Das war mir dann wichtig.

02:05:04: Aber ja, es ist schon so, dass man teilweise glaube ich unbewusst da rein tappt, dass man schenkt den anderen Spielsachen, man zieht den anderen Klamotten an.

02:05:17: lebt dann doch manchmal im Detail unterschiedliche Dinge vor und ich versuche sicherlich gerade bei unseren Söhnen manchmal besonders stark einfach auch in ihnen zu verankern und zu betonen, dass sie die gleiche Verantwortung tragen in unserem Familienleben wie die Mädchen und das sozusagen Haushaltsaufgaben oder irgendwas genauso in ihren Zuständigkeitsbereich fallen wie in den von ihren Schwestern.

02:05:45: Ja, aber das ist ja auch ein Thema, was einfach ein Lernfeld ist und wo ich auch merke, da kann man auch zu Hause versuchen, so sehr geschlechtsoffen zu erziehen, wie man will.

02:05:59: Da kommen auch so krasse Botschaften aus dem Kindergarten, aus der Schule, aus dem sozialen Umfeld.

02:06:05: Da kommen wir gar nicht gegen an.

02:06:06: Also einer meiner Söhne hat mal sehr lange Haare getragen und mochte die selber total gerne.

02:06:11: Und wir fanden das total cool und haben das auch gefördert.

02:06:14: Und irgendwann war der Druck von Gleichaltrigen, die abzuschneiden so groß, dass wir da nicht mehr gegen ankamen.

02:06:22: Du hast das in Familienkompass, das ist ein älteres Buch.

02:06:27: Da geht es um den Nordstern.

02:06:28: Und es jeder Familie braucht ein Nordstern.

02:06:30: Und wahrscheinlich ... Also ihr habt euren, da bin ich mir sicher, ich weiß nicht, ob du den so teilen willst, aber es scheint mir doch eine große Klarheit auch zu geben bei euch, also wenn ich dir so zuhör, wie findet man seinen Nordstern auch als Familie?

02:06:48: und ist das etwas, was nur die Eltern bestimmen oder ist das etwas, was auch die Kinder mitbestimmen?

02:06:58: Ja, also tatsächlich glaube ich, dass dieser Grundwert der Gleichwürdigkeit der jetzt schon ein paar Mal zum Sprache kam, für uns so was wie ein Nordstern darstellt.

02:07:10: Und das große Glück tatsächlich meines Lebens, glaube ich, ist, dass mein Mann und ich uns immer leichter mitgetan haben, so was wie ein gemeinsames Nordstern zu finden und zu suchen.

02:07:27: Also wir sind ja schon tausend Jahre zusammen und wir unterhalten uns viel über die Art und Weise, wie wir mit unseren Kindern leben wollen.

02:07:35: Und dabei gibt es durchaus unterschiedliche Prägungen und Ansatzpunkte.

02:07:40: Es ist nicht, dass das alles dekungsgleich ist.

02:07:42: Aber wir hatten von Anfang an so was wie ein Wertesystem, das gut zusammengepasst hat.

02:07:48: Also über diese Grundfrage.

02:07:50: Unsere Kinder sind Menschen, die das gleiche Recht auf Würde haben, wie wir Erwachsenen.

02:07:57: Das war nie was, worüber wir streiten mussten, sondern das war was, was uns beide total angesprochen hat und wo wir beide sagten, das wär schön.

02:08:04: Darauf würden wir gerne unser Familienleben gründen.

02:08:07: Das ist unser gemeinsamer Nordstern.

02:08:10: Und das hilft natürlich total, wenn man als Elternpader dann nicht erst mal miteinander fast in Streit kommt darüber, wie man die eigenen Kinder großziehen will, sondern wenn da so eine große Wertschätzung für ein gemeinsames ... ne?

02:08:24: Wertesystem so erstmal da ist.

02:08:27: Und dann unterhält man sich über die Details und ist auch mal unterschiedlicher Meinung.

02:08:30: Und dann kann man aber immer wieder auch sagen, lass uns mal diesen Konflikt, den wir gerade haben, quasi gegen unser Nordstein abgleichen und sagen, welcher Weg würde dazu passen.

02:08:39: Und ich habe schon das Gefühl, dass in unserer Familie dieser Nordstein nicht demokratisch entschieden wurde, sondern dass der von uns Eltern kam, dass wir als die Erwachsenen praktisch so ein bisschen die Marschrichtung vorgegeben haben.

02:08:50: Das ist ... Der Grund wird, auf der unsere Familienleben basieren soll.

02:08:53: Und das gleichzeitig natürlich mit unseren Kindern dann immer mehr Menschen dazu kamen, die, sag ich mal, auch ihre Perspektive da eingebracht haben und auch vielleicht verändert haben, was sowas wie Gleichwürdigkeit in der Praxis bedeutet.

02:09:05: Und ich glaube, dass ich da teilweise als junge Mutter vor zwanzig Jahren noch ein anderes Bild davon hatte als später.

02:09:14: Also ich habe ... Diese Begrifflichkeiten, die ja doch oft sehr abstrakt sind, eine Freiheit in Grenzen, weil es meine Kinder zwei und vier waren, anders interpretiert als heute und ich musste immer wieder lernen gegen bestimmte Glaubenssätze noch mal neu anzugehen.

02:09:31: Also völlig banales Beispiel.

02:09:33: Unser Sohn hat sich mit vierzehn unglaublich intensiv, so ein Nasenpiercing gewünscht, so ein Septum.

02:09:42: Und das ging bei mir irgendwie gefühlt gegen ganz viele Glaubenssätze auf einmal.

02:09:47: Wirklich auch so ein bisschen, dieses Emotionale, niemand darf mein Baby durchlöchern, aber auch bestimmte Zuschreibungen von, wie soll mein Sohn rumlaufen, wie wirkt das dann von außen?

02:09:57: Ich kann es gar nicht gut erklären, ich wollte es jedenfalls nicht.

02:10:00: Und dann haben mein Mann und ich, wir wollten es beide nicht, wirklich in der großen Klarheit gesagt, Erziehung und Gleichwürdigkeit brauchen auch Grenzen.

02:10:09: Und die Grenze liegt bei der körperlichen Unversehrtheit.

02:10:13: Und deswegen gibt es dieses Piercing nicht.

02:10:16: Und dann hat unser Sohn ungefähr ein Jahr lang mit uns um dieses Septum gerungen und immer wieder argumentiert.

02:10:25: erklärt, wie viel ihm das bedeutet und wie wichtig das für seinen Selbstausdruck und seine persönliche Entwicklung und seine Individualität ist und Studien herangetragen, wie gering die Infektionswahrscheinlichkeit ist, wenn man das bei einem guten Pierser macht.

02:10:42: Jedenfalls nach ungefähr einem Jahr haben mein Mann und ich uns in die Augen geguckt und gesagt, wenn wir ganz ehrlich sind, geht es uns eigentlich hier nicht um seine Gesundheit und um die ... körperliche Unversehrtheit unseres Sohnes, sondern es geht um Glaubenssätze, die wir haben.

02:10:59: Wir wollen das einfach nicht, weil das unser Bauchgefühl ist, dass wir das nicht abschwinden.

02:11:04: Aber eigentlich muss er das Recht haben, das gleiche Recht auf Würde mit seinem Körper und seiner Individualität, da auch so eine Entscheidung treffen zu dürfen.

02:11:14: Und dann hat er so seinen fünftzehnten Geburtstag den Gutschirm bekommen, zum Piercer zu gehen.

02:11:18: Und das war zum Beispiel so ein... So eine Entwicklung, wo ich so richtig gemerkt hab, da hat dieser Nordstern in uns gearbeitet, aber es hat auch eine Zeit gedauert, bis wir unsere Zuschreibungen und unsere inneren Blockaden wieder in Einklang bringen konnten mit diesem Grundwert.

02:11:36: Das hätte man auch anders interpretieren können, aber unser Sohn hat in gewisser Weise da unsere eigenen Werte genommen und die mit uns diskutiert und im Zuge dieser Diskussion.

02:11:49: gute Argumente vorgebracht und damit dann auch für sich ein Erfolg erzielt sozusagen und in gewisser Weise noch mal erweitert, was so was wie Gleichwürdigkeit eben auch bedeuten kann.

02:12:02: Und das war ein ganz spannender Prozess.

02:12:05: Wir haben das besprochen, bevor das Mikro angegangen ist.

02:12:09: Da haben wir über das Umziehen gesprochen und du erzählt ist von deinen oder von euren Familienreisen.

02:12:14: und wir reden jetzt nicht von Reisen, sondern von Umzügen von von London noch Leipzig und jetzt wieder aufs Dorf.

02:12:21: Und das ist ja etwas, wo jetzt die Kinder nicht unbedingt sagen.

02:12:27: Endlich wieder neue Freunde.

02:12:31: Wie habt ihr das damit, eurem Nordstein mit der Gleichwürdigkeit gemacht, zu sagen, nee, also gerade die Kinder in der Pubertät wollten, so wie ich dich verstanden habe, erst nicht wegziehen?

02:12:42: Warum habt ihr euch da durchgesetzt?

02:12:43: Ja, das ist so ein bisschen das, ne?

02:12:46: Also, jetzt bei Jules sagt... In einer Familie haben nicht alle die gleichen Rechte, aber das gleiche Recht auf Würde.

02:12:52: Und dieser erste Teil, es haben nicht alle die gleichen Rechte, der ist schon auch wichtig.

02:12:57: Der sagt nämlich, letztlich sind die Eltern diejenigen, die sozusagen die großen Linien ziehen, die in der Führungsverantwortung sind.

02:13:04: Und so eine Frage wie, wo wohnen wir und wie lange können wir da wohnen?

02:13:08: und wer übernimmt vielleicht irgendwann irgendwo einen neuen Job?

02:13:11: und dafür ist ein Umzug erforderlich, das sind... Erwachsenen Entscheidungen.

02:13:14: Das heißt nicht, dass man dabei nicht natürlich das Wohl der gesamten Familie im Blick behalten muss.

02:13:18: Es geht nicht um Egoismus, aber es geht schon darum auch anzuerkennen, dass in einer Familie idealerweise die Erwachsenen das Wohl der gesamten Familie im Blick haben und die Kinder natürlicherweise auch einfach sehr nah bei sich sind und bei dem, was sie eben ... wollen und was ihnen jetzt gerade wichtig ist.

02:13:37: Und das ist genau richtig so, unentwicklungsgerecht.

02:13:40: Bedeutet aber eben auch, in der Familie jetzt von in unserem Fall sechs Personen, kann eben vielleicht ein dreizehn- oder vierzehnjähriges Kind, das hat ich aber keinen Bock von Leipzig wegzuziehen, nicht unbedingt die Konsequenzen abschätzen, die das für das gesamte Familiensystem für die nächsten fünfundzwanzig Jahre hätte.

02:13:57: Und das ist auch eine Verantwortung, die so ein Kind nicht tragen kann.

02:14:02: Und in gewisser Weise, um es ganz einfach runterzubrechen, ist es einfach so, mein Mann und ich haben früh Kinder bekommen.

02:14:10: Unser erstes Kind kam auf die, weil da war ich dreiundzwanzig.

02:14:14: Bei unserem zweiten Kind war ich gerade sechsundzwanzig geworden.

02:14:17: Und dieses frühe Kinderkriegen hat bedeutet, dass unsere Kinder ... sehr junge Eltern hatten, die sehr viel Kraft haben, mit ihnen ganz viele Sachen zu machen, die aber auch noch in der Phase waren, ihr Leben so aufzubauen.

02:14:29: Die kamen noch nicht in diese völlig gesättelten Verhältnisse, wo man sagt, so, und jetzt haben wir hier ein Haus gebaut mit zwei Kinderzimmern, sondern die kamen in eine Studentenwohnung und haben sozusagen vom ersten Job über den ersten und alles einfach mitgemacht.

02:14:42: Und da dann auch zu sagen, das ist quasi der Deal, für den haben sie sich nicht entschieden, aber in den sind sie reingeboren worden.

02:14:48: Wir bauen uns unser Leben auf und unsere Kinder müssen da ein Stück weit mitkommen.

02:14:53: Das war was, was für uns relativ früh klar war, weil wir auch auf keinen Fall wollten, dass wir irgendwann mal quasi uns an Kindern bewusst oder unbewusst vorhalten, dass wir irgendwas Tolles an Lebenschance sozusagen nicht nutzen konnten, weil wir es ihnen zuliebe.

02:15:09: nicht gemacht haben oder weil wir das aufgeopfert haben.

02:15:13: Und als wir mit ihnen dann zum Beispiel nach London gezogen sind, als die Kleinen waren, war uns klar, das ist eine krasse Zäsur, zwei kleine Kinder aus ihrem Umfeld zu reisen, in ein anderes Land zu ziehen.

02:15:22: Und gleichzeitig haben wir immer auch gesagt, aber es ist auch eine tolle Chance, es ist auch ein Abenteuer, es ist auch was, wo die ganz viel mitnehmen und ganz viel lernen können, neue Sprache, neue Umwelt.

02:15:31: Und dann sind wir von London nach Leipzig gezogen, das war kein ... Einförter Schritt, unsere Kinder waren in London sehr zu Hause, hatten zwischendurch vergessen, dass sie ursprünglich aus Deutschland kamen, wären da auch gerne geblieben.

02:15:44: Und dann haben wir das begleiten müssen.

02:15:47: und der Umzug von Leipzig dann sozusagen in den Nordschwarzwald auf Dorf war definitiv der schwerste emotional.

02:15:56: zwei Kinder in der Pubertät aus der Großstadt, aus ihrem Freundeskreis rauszureißen und zu sagen, wir ziehen jetzt aufs Land, war ... Und da haben unsere Kinder uns auch Vorwürfe gemacht und waren teilweise auch richtig sauer.

02:16:10: Und auch da war es dann wichtig für uns als Eltern, in dieser Verantwortung zu bleiben, zu sagen, das ist völlig okay, dass ihr wütend seid, alle Gefühle dürfen sein.

02:16:20: Es ist auch verständlich.

02:16:22: Und gleichzeitig haben wir als Eltern diese Entscheidung aus guten Gründen.

02:16:26: mit mehreren Argumenten abwägend getroffen.

02:16:28: Und wir glauben, dass trotzdem für unser gesamtes Familiensystem es jetzt nicht die bessere Entscheidung gewesen wäre, das nicht zu machen.

02:16:35: Und wir haben dann wirklich in ganz vieler Hinsicht versucht, unseren Kindern auch zu signalisieren.

02:16:41: Wir muten euch da was zu.

02:16:43: Das ist uns sehr bewusst.

02:16:44: Und wir versuchen euch das so leicht zu machen wie möglich.

02:16:47: Also das fing dann an mit ... In dem neuen Zimmer habt ihr ... alle Freiheit der Welt, euch das so zu gestalten, wie ihr das wollt.

02:16:55: Und wir sind da auch recht großzügig, was so neue Möbel, neue Wandfarbe, neue Poster angeht.

02:17:00: Alles, damit ihr euch wohlfühlen könnt.

02:17:02: Wir haben beiden großen Kindern zum Umzug quasi so eine Art Gutschein geschenkt, dass sie jederzeit ihre Freunde besuchen können, dass wir Bahnverkarten bezahlen.

02:17:16: Das müssen sie nicht vom Taschengeld bezahlen oder so, dass sie jederzeit ihre Freunde besuchen können.

02:17:21: Auch in diesem, wir übernehmen die Verantwortung, also wir muten euch was zu, weil wir versuchen es im Rahmen unserer Möglichkeiten auch wieder gut zu machen.

02:17:29: Und all solche Dinge, wir haben viel darüber gesprochen, wir haben viel erklärt, wir haben viel Raum gelassen für den Ärger und die Wut und die Verzweiflung, die da auch drin steckte.

02:17:39: Und dann wurde es aber auch wirklich ... Gut, dann war es auch wirklich so, dass nach einer gewissen Zeit unsere Kinder sich denn eingewöhnt hatten.

02:17:48: und mittlerweile sagen tatsächlich, und da haben wir auch Glück gehabt, beide Teenager immer noch, dass es schwer war und dass sie auch manchmal leid sich vermissen, das ist auch völlig okay, sie sind doch immer noch auf da, aber dass sie mittlerweile sehen, dass es für uns in unserer Familie eine gute Entscheidung war, das so zu machen und dass sie sich mittlerweile auch wohlfühlen an diesen neuen Ort und dass wir da auch als Familie dran gewachsen sind, das miteinander so zu meistern.

02:18:13: Jetzt wirst du ja demnächst noch mal Mutter.

02:18:15: Ja.

02:18:16: Und bevor wir so zum Ende kommen, gibt es etwas, was du jetzt nur das eine Kind gerade ausgezogen, das neue zieht jetzt ein?

02:18:26: Gibt es etwas, wo du sagen würdest oder wo ihr beiden sagt dein Mann und du, das werden wir anders machen?

02:18:32: Gute Frage, ne?

02:18:36: Ja und nein.

02:18:37: Also der Nordstern, um das Bild nochmal zu bemühen, der bleibt gleich.

02:18:41: Der hat uns wunderbar durch die ... letzten zwanzig Jahre Elternschaft getragen.

02:18:46: Und der wird uns auch durch die nächsten zwanzig Jahre übtragen.

02:18:49: Da bin ich mir ganz sicher.

02:18:50: Und das gibt mir auch innerlich sehr viel Halt und Sicherheit zu sagen in einer Situation, in der ich gerade ganz vieles noch nicht weiß.

02:18:56: Ich kenne unser neues Kind ja noch nicht.

02:18:58: Ich weiß nicht, was das für ein Charakter ist.

02:18:59: Ist das ein gefühlstarkes Kind?

02:19:01: Ist das ein total regulationsstarkes Kind?

02:19:03: Keine Ahnung.

02:19:05: Weiß ich trotzdem.

02:19:06: Ich hab für mich sozusagen mein Nordstein parat.

02:19:08: Ich weiß, wie ich ... ne?

02:19:11: dieses Kind begleiten will und ich habe auch so ein tiefes Vertrauen, dass das ein guter Weg ist, weil wir den ja auch schon so lange gehen mit all unseren verschiedenen Kindern, mit all ihren unterschiedlichen Temperamenten und er uns immer gut getragen hat.

02:19:23: Und gleichzeitig sehe ich auch, dass ich gerade als junge Mutter mit meinen ersten Kindern teilweise mich so ein bisschen verrannt habe in bestimmten Vorstellungen, wie bestimmte Dinge sein müssen.

02:19:36: und gerade diese Bindungsorientierte Blase hat ja immer auch ein bisschen so eine Schlagseite in Richtung, wir müssen alles möglichst natürlich machen.

02:19:46: Und diese Interpretation von Naturlichkeit ist ja auch oft sehr speziell, weil was es wirklich natürliche Eltern schafft.

02:19:54: Also in der freien Natur gibt es einfach eine unfassbar hohe Säuglingssterblichkeit.

02:19:57: Das wollen wir hoffentlich alle nicht.

02:19:59: Aber es gibt dann oft so diesen starken Fokus darauf, mit diesem ganz langen, exklusiven Stillen und ausschließlich am Körper.

02:20:08: und auch eine sehr, sehr starken Fokus darauf, was speziell die Mutter als diejenige, die das Kind ausgetragen und geboren hat, alles tun und machen soll.

02:20:17: Und da habe ich mich teilweise auch sehr unter Druck gesetzt, bestimmte Dinge so hundertzwanzig Prozentig umsetzen zu müssen.

02:20:24: Also ich war sehr in Beschlag genommen als junge Mutter von dieser Vorstellung.

02:20:30: Gerade so in Bezug aufs Stillen, dass man da so die superreine Lehre in dem Sinne leben muss, im Sinne von, das Kind kriegt keinen Schnuller, kein Fläschchen, nur die Mutterbrust nach Bedarf, solange es will.

02:20:43: Und jede... In einer künstlichen Intervention in diesem Prozess ist nachteilig fürs Kind.

02:20:49: Da bin ich zum Beispiel jetzt, bei unserem fünften Kind, an so einem Punkt, wo ich sage, ich will auch dieses Kind stillen.

02:20:55: Da spricht für mich ganz viel dafür.

02:20:58: Und ich will gleichzeitig ganz achtsam sein, was meine eigene mentale Gesundheit und was unsere, sag mal, faire Rollenverteilung als Eltern angeht.

02:21:07: Und mir ist es sehr, sehr wichtig.

02:21:10: genug Raum auch zu haben, mit meinen älteren Kindern was unternehmen zu können, für meine Berufstätigkeit was machen zu können.

02:21:16: Und wenn dafür sozusagen erforderlich ist, dass künstliche Sauger kurz Milch ausflaschen, was auch immer, innenmaßen zum Einsatz kommt, dann soll das so sein.

02:21:26: Und ich will da ganz bewusst gerade bei diesem Kind nochmal immer wieder überprüfen, Versuche ich jetzt hier irgendeinem Dogma zu genügen?

02:21:35: Versuche ich jetzt hier irgendjemandem irgendwas zu beweisen?

02:21:38: Oder ist das, was wir jetzt hier entscheiden, wirklich was, was für uns und unser Kind jetzt gerade gut funktioniert?

02:21:44: Und das ist so ein Vorsatz.

02:21:45: Das klingt vielleicht für viele total selbstverständlich oder banal, aber für uns war das durchaus ein Schritt, zu sagen, unser Wunsch mit diesem fünften Kind jetzt ist.

02:21:57: noch mehr als bei den älteren Geschwistern, uns zu lösen von diesen äußeren Zuschreibungen, woran man gute Eltern erkennt und noch mehr bei uns zu bleiben und noch mehr zu schauen.

02:22:09: Was macht uns das Leben leicht und schön und alle Wege dahin sind moralisch neutral?

02:22:17: Also einfach nicht gut zu sein, sondern einfach Eltern zu sein.

02:22:22: Also ohne dieses Label, was man und das sieht ja dann auch noch mal jeder und jeder anders, sondern einfach zu sagen, wir sind Eltern und wir wissen nichts und wir versuchen nach unseren Werten in diese Beziehung zu gehen.

02:22:41: Ich glaube, dass ich mir noch stärker vorgenommen habe, mir bewusst zu sein, dass es so unendlich viele Wege gibt, gute Eltern zu sein.

02:22:48: Ich habe schon, glaube ich, was vielen Eltern so geht, am Anfang so nach dem einen besten Weg gesucht.

02:22:56: Und da anzuerkennen, dass es denen nicht gibt, sondern dass es wirklich viele ... gleichwertige Wege gibt und dass man gute Elternschaft nicht an solchen einzelnen Markern, wie ist ihr Geburtsmodus gewesen?

02:23:10: Wie wurde das Kind gefüttert?

02:23:12: Wie viele Stunden wurde es exakt getragen und wie viele wurde es geschoben?

02:23:17: Dass man das an sowas nicht ablesen kann, sondern dass gute Elternschaft, wenn es sowas gibt, sich an lebendigen Beziehungen bemisst.

02:23:27: Und an den... emotionalen Erfahrungen von Sicherheit und Geborgenheit, die ein Kind im Laufe seines Lebens macht.

02:23:34: Das ist was, was uns wichtig ist.

02:23:36: Das war uns immer wichtig, aber das ist vielleicht jetzt noch mal so geschärft.

02:23:40: Weißt du, diesen ganzen Ballast, diese ganzen zusätzlichen Schichten wirklich so abzutragen und zu sagen, ich habe da gerade vor wenigen Tagen mit meinem Mann drüber gesprochen.

02:23:50: Irgendwie hat sich über die letzten zwanzig Jahre auch sowas wie so eine Essenz unseres Elternseins herausgestellt.

02:23:56: Und man sagt so im Nachhinein, so viele Dinge, über die man sich so viel Gedanken macht hat, waren dann lange sich gar nicht so wichtig.

02:24:01: Aber was wirklich wichtig war, war diese Warmherzigkeit, diese Sanftmut, dieses Gefühl für unsere Kinder und sichere Hafen zu sein.

02:24:09: Und das ist der Ausgangspunkt jetzt eben auch für ... Die Eltern schafft mit Bibi Nummer fünf und ansonsten lassen wir uns aber einfach auch überraschen.

02:24:17: Bisher haben wir von jedem Kind immer noch mal was Neues gelernt.

02:24:20: Wir dachten immer, wir sind ja jetzt vorbereitet und dann kam wieder irgendwas um die Ecke, was wir noch nicht hatten bis dahin.

02:24:24: Und das wird wahrscheinlich auch diesmal wieder so sein.

02:24:28: Boah, wie aufregend.

02:24:29: Also total schön, dass du dieser Neugierde als Kind ... Gefolgt bist und dass man merkt es dir total an, wenn man sich mit dir unterhält, was das für eine unglaubliche Leidenschaft ist, wie viele Fragezeichen es immer noch gibt.

02:24:43: Und das ist auch für mich jetzt total beruhigend.

02:24:46: Und ich hoffe auch für alle, die das jetzt gehört haben, weil man denkt ja manchmal, die Nora mit den circa siebenundzwanzig Büchern und all die anderen Jesper, Jules, Katja, Saalfragen, all die es gibt.

02:24:59: Ah, die wissen, wie es geht.

02:25:01: Und ich fand es total schön, so die Fragezeichen zu erkennen, das nämlich auch was total entlasten, das finde ich, als, wenn man nicht, siebenundzwanzig, mich übergeschrieben hat zu diesem Thema.

02:25:13: Ich habe eine letzte Frage, ist immer die letzte Frage.

02:25:15: Ich möchte gern von dir wissen, was du auf einer große Plakatwand am Alexanderplatz schreiben würdest.

02:25:21: Was würdest du drauf schreiben?

02:25:24: Ich glaube, ich würde drauf schreiben, Bindung ist bunt.

02:25:27: Weil Bindung einfach so vielfältig ist und so viele Gesichter und Facetten hat und nicht so einer einzelnen Richtung folgen muss und dann ganz, ganz individuell und facettenreich und vielfältig sein kann.

02:25:42: Bindung ist bunt, für mich total super.

02:25:45: Das hört sich auch so, das hört sich total freutvoll an, auch, finde ich, und nach Konfetti und nach, aber auch nach... Unaufgeräumten Wohnzimmer und nach, ja auch, das ist nach Flickenteppich, die es ja jetzt auch öfters gibt und so weiter.

02:26:04: Also Bindung ist bunt, das finde ich super.

02:26:07: Den nehmen wir, würde ich sagen.

02:26:08: Vielen, vielen herzlichen Dank für dein Besuch.

02:26:10: Ich wünsche dir und euch natürlich, also, was ist das?

02:26:15: Ich habe jetzt ein Doppelinterview, so zu sagen, geführt.

02:26:18: Vielen, vielen herzlichen Dank und ihr möge diese Neugierde, die ich weiter tragen und uns auch weiter erreichen.

02:26:24: Vielen herzlichen Dank.

02:26:26: Danke.

02:26:32: Das war Nora Imlau.

02:26:33: Vielen, vielen herzlichen Dank fürs Zuschauen und auch zu hören.

02:26:37: Ich habe ganz viel aus dieser Folge mitgenommen.

02:26:39: Vor allen Dingen das Wort Gleichwürdigkeit.

02:26:41: Das ist ein fantastisches Wort.

02:26:43: sagt sehr, sehr viel.

02:26:45: Ich habe mitgenommen, dass Bindungsorientierung eben nicht Perfektion heißt, sondern dass es eben darum geht, dass es allen gut geht und dass auch alle Gefühle möglich sind und auch alle Gefühle ihren Raum bekommen sollten.

02:26:55: Und was ich sehr toll fand ist sowieso diese Energieampel nutze ich auch für mich jetzt schon inzwischen und die Bezeichnung moralisch-neutral.

02:27:03: Dass eben eine unaufgeräumte Wohnung einfach moralisch-neutral ist und dass es eben ab und zu auch mal tief Kühlpizza geben darf, das ist eben auch moralisch-neutral.

02:27:12: sehr entlasten mit ihr zu sprechen.

02:27:13: Ich hoffe euch geht's genauso.

02:27:15: Ich möchte mich herzlich bedanken bei Annie Hofmann für die Redaktion bei Mitvergnügen für die Distribution und Vermarktung und bei Maximilian Frisch.

02:27:22: für den Mix und den Schnitt.

02:27:24: Und wenn ihr Lust habt, noch eine weitere Folge zu schauen oder zu hören, dann möchte ich euch die Folge mit Jakob Hein empfehlen, der es Kindern jüngstlich harter hier in Berlin war.

02:27:34: Vor knapp zwei Jahren schon hier haben wir auch ganz, ganz viel über Elternschaft gesprochen und darüber, was es bedeutet, ein guter Vater beispielsweise zu sein.

02:27:42: Hört ihr gerne mal rein, schaut ihr gerne mal rein.

02:27:44: Ich wünsche euch noch einen schönen Tag.

02:27:45: Eine gute Nacht.

02:27:46: Auf bald.

02:27:47: Euer Matze.

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